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Ein Ei gegen Chiracs Bomben

Zwar ist das neuseeländische Rugbyteam gegen Atomtests, doch zum Boykott einer Frankreich-Spieltour ist man bislang noch nicht bereit  ■ Aus Auckland Dorothea Hahn

Die Neuseeländer kennen zwei Leidenschaften, die ihre Nation zusammenhalten: die Liebe zum Rugby und die Ablehnung von Atombombentests. Wenn sich die „All Blacks“ irgendwo in der Welt um den ovalen Lederball prügeln, sind daheim 80 Minuten lang die Straßen leer. Und wenn von französischen Atomtests in der Pazifikregion die Rede ist, sind die friedliebenden Neuseeländer gar dazu bereit, ihre Marine loszuschicken.

Angesichts dieser nationalen Einigkeit scheint der Vorschlag eines Politikers der oppositionellen Labour Party nur logisch: Das Rugbyteam soll die Atomtests bekämpfen. Wie genau? Die „All Blacks“ sollen den beiden im Oktober und November geplanten Begegnungen mit dem ebenfalls nicht zu unterschätzenden französischen Rugbyteam aus Protest fernbleiben.

Kaum war die Idee heraus, löste sie in Neuseeland, wo fast jede Straße einen eigenen Rugby-Club hat, eine Debatte auf höchster Ebene aus. Greenpeace, die wichtigste Instanz der neuseeländischen Innenpolitik, hält politischen Druck für sinnvoller als einen Boykott. Die buntgemischte Parteienkoalition Alliance schlug vor, die „All Blacks“ sollten sich Anti-Atom-Symbole aufs schwarze Trikot heften und in Frankreich „antinukleare Erklärungen“ abgeben. Und aus der konservativen Regierungspartei National Party kam der Einwand, sport und politics sollten tunlichst getrennt bleiben.

Die Mischung ist für Neuseeland in der Tat explosiv. Das hat sich schon einmal 1981 gezeigt, als eine Diskussion über Sport und Politik das Land wochenlang spaltete, Familien entzweite und letztlich sogar zu Straßenschlachten führte. Damals kamen die südafrikanischen „Springboks“ nach Neuseeland, wo die Apartheidsgegner dazu aufriefen, sämtliche Begegnungen zu annullieren. Gegenüber den Sportorganisatoren konnten sie sich letztlich zwar nicht durchsetzen. Aber die Spiele fanden unter tumultartigen Verhältnissen statt – unter anderem platzte im Aucklander Eden Park eine aus der Luft abgeworfene Blumenbombe über dem Spielfeld.

Der „Springbok“-Streit ist den Neuseeländern in höchst unangenehmer Erinnerung. Wer „1981“ sagt, meint: „nationaler Streit“ und „innenpolitische Krise“. „1981“ bedeutet aber auch, daß ein Mißstand – so groß er auch sein mag – auf dem Rücken des unschuldigen Rugby und dessen Fans ausgetragen wurde. Und das wollen viele kein zweites Mal hinnehmen.

Hinzu kommt, daß die meisten Neuseeländer ihre Nation für viel zu klein halten, als daß sie den Rest der Welt durch bloßes Fernbleiben beeindrucken könnte. „Ein neuseeländischer Springbok-Boykott hätte das Apartheid-Regime auch nicht früher zu Fall gebracht“, ist ein „All Blacks“-Funktionär überzeugt. Ein anderer glaubt, „daß den Franzosen Rugby nicht wichtig genug ist, um deswegen ihre Atombombenpolitik zu ändern“.

Tatsächlich spielt Rugby in Frankreich nur in einzelnen Landesteilen eine wichtige Rolle – die Hauptstadt Paris gehört nicht dazu. Und Präsident Chirac wird in Neuseeland sogar zugetraut, daß er fähig ist „eine Bombe an einem Spieltag zu zünden.“

Anfang August wollen die Funktionäre der „All Blacks“ noch einmal über das Für und Wider der Europareise im Herbst beraten. Doch sie machen keinen Hehl daraus, daß sie fahren wollen. Es sei denn – sagt ihr Präsident – Neuseeland bricht alle politischen Beziehungen zu Frankreich ab. Die Spieler selbst sind „privat“ genauso gegen die Atomtests wie ihre Fans. Doch zu einem Boykott sind die meisten von ihnen – bislang – nicht bereit.

Doch die Stimmung kann sich in den nächsten Wochen ändern. Das hängt von der französischen Atompolitik ab – aber auch von den Meinungen neuseeländischer Prominenter. Hepi Lomu hat sich bereits gegen die Reise nach Frankreich ausgesprochen. „Atomtests sind sehr gefährlich“, hat die Dame gesagt, die in diesen Tagen eine Autorität in Neuseeland ist. Nicht etwa, weil sie in dem pazifischen Königreich Tonga lebte, als es in der Region vor bombentestenden Großmächten nur so wimmelte. Sondern weil sie nach Neuseeland kam, als sie mit Jonah schwanger war – ihrem Sohn, der jetzt so göttlich Rugby spielt, daß die „All Blacks“ vor drei Wochen in Südafrika beinahe Weltmeister geworden wären.

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