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■ Nebensachen aus BangkokEin Bürgermeister der Straße

Mit unserem neuen Bürgermeister, dem Gouverneur von Bangkok, haben wir es wirklich gut getroffen. Der Mann, Bhichit Rattakul, ist ein erprobter Politiker und Umweltaktivist. Gleich am Tag nach seiner Wahl Anfang Juni erschienen Fotos in den Zeitungen, auf denen er neben Wasserpumpen lehnte, die einen dicken Strahl dunklen Kanalwassers ausspieen. Bald darauf sah man ihn neben Müllwagen und vor Baustellen, den Finger anklagend in Richtung der dort produzierten Staubwolken erhebend.

Und schließlich, kaum drei Wochen nach Amtsantritt, im Krankenbett: Infusionsschläuche hingen aus seinem Arm. „Erschöpfung“ und „Umweltvergiftung“ lautete die Diagnose. Statt seine Arbeitskraft im gekühlten Mercedes oder auf dem Golfplatz zu hüten, hatte er sich leichtfertig dorthin begeben, wo wir auch oft sein müssen: auf die Straße.

Jetzt ist er wieder wohlauf, ich habe ihn Mittwoch gesehen, da lachte er sogar – das Lachen eines Menschen, der versucht, alle Humorreserven zu aktivieren, um sich seinen Verstand zu bewahren. Es war im Bangkoker „Foreign Correspondents Club“. An seiner Seite saß sein Vize Dr. Kraisak, der immer das Wort ergriff, wenn Bhichit diplomatischerweise den Mund halten mußte.

„Diplomatie“, sagte der Gouverneur, „ist ganz wichtig in meinem Job.“ Und er zählte auf, welche Bereiche der Stadtverwaltung nicht in seine Kompetenz fallen: Verkehr (regelt der Vizepremierminister), Wasser (regelt eine Wasserbehörde), Hoch- und U-Bahnen (gibt's noch nicht, regelt die Regierung), Stromversorgung (regelt eine spezielle Behörde), Straßenbau („Wir dürfen nur über die Einrichtung zusetzlicher Wendemöglichkeiten entscheiden“). 17 Behörden sind für Bangkok zuständig, keine untersteht dem Gouverneur. „Deshalb muß ich mich mit ihren Chefs gut stellen“, sagte der Gouverneur. Dr. Kraisak nickte. „Der Vizepremierminister redet auch mit mir“, sagte der Gouverneur. Dr. Kraisak nickte etwas zögernd.

Der Vizepremier nämlich ist, wie gesagt, für den Verkehr zuständig. Er ist eine unerschöpfliche Quelle der Neuerungen. Nachdem er vergeblich die Öffnungszeiten von Banken verlegte, um den morgendlichen Stau abzubauen, erfreut er uns gegenwärtig mit zwei weiteren Patentlösungen: Erstens dürfen auf zwei mittellangen Abschnitten zweier mittelgroßer Straßen der 8-Millionen-Stadt Privatautos jetzt auf den Busspuren fahren, wenn dort vier Leute drinsitzen. Zweitens sollten nur solche Autos in bestimmten Innenstadtbereichen fahren dürfen, die vor Jahresende gekauft werden.

Dr. Kraisak hielt es nicht länger: „Wenn wir Glück haben, erzählt man uns beim Lunch, nebenbei, etwas über die neuen Projekte!“ So habe die Regierung ihm gerade über den Plan für den neuen gigantischen Bahnhofsbau der künftigen Hopewell-Hochbahn („Hopeless“, sagt Dr. Kraisak) informiert, wo die Passagiere Anschluß an S-Bahn, Parkhäuser, U-Bahn, und Magnetbahn erhalten sollen. „Magnetbahn? Davon hat uns noch nie jemand was gesagt!“ Er habe vor Schreck die Nacht nicht geschlafen. – Gouverneur Bhichit nickt. Und lacht gequält. Jutta Lietsch

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