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Archiv-Artikel

Ein Bad mit verschwommener Zukunft

Eine Anwohnergenossenschaft hat für die Instandsetzung des Stadtbades Oderberger Straße gekämpft. Nun hat der Senat die Fördermittel gestoppt. Die Genossen können das Bad nicht mehr sanieren. Das Land will es nicht zurück. Was nun aus dem denkmalgeschützten Bau werden soll, ist offen

„Wir werden nicht Partys machen, bis uns die Decke auf den Kopf fällt“

VON BENJAMIN BRAND

Sie gehen wieder. Die Models des Hamburger Modelabels werden heute Abend das immer noch leere Becken des Stadtbades an der Oderberger Straße durchqueren. Die Genossenschaft, die das Jugendstilbad in Prenzlauer Berg besitzt, war sich sicher, dass es eine der letzten Veranstaltungen dieser Art sein wird. Anfang 2006 sollte die lang erwartete Sanierung des denkmalgeschützten Hauses beginnen. Ein Jahr später sollte hier endlich wieder gebadet werden. Doch jetzt geht erst mal gar nichts mehr. Außer den Models.

Denn für die Sanierung fehlt der Anwohnergenossenschaft das Geld. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) hat am 1. November den fest eingeplanten Baukostenzuschuss aus EU-Mitteln gestoppt. Die 5,1 Millionen Euro sollten eine der drei Säulen sein, über die die Sanierung finanziert werden sollte. Über Bankkredite und ein Leasingmodell sollte das restliche Geld zusammengetragen werden.

2001 war auch der Senat noch von diesem Konzept überzeugt. Er verkaufte das marode Bad für 100.000 Euro an die Genossenschaft. Damit schien ein langer Kampf der Anwohnerinitiative ein glückliches Ende zu finden. Exakt 100 Jahre nach der Eröffnung des Bades 1902 wurden der Genossenschaft die Schlüssel überreicht. Schon seit 1987 ist dort niemand mehr geschwommen. Da musste wegen Rissen im Becken das Wasser abgelassen werden. Nach der Wende gründete sich eine Bürgerinitiative, die das Stadtbad wenigstens als Veranstaltungsort aufleben ließ. Nachdem das Gebäude 1995 von der Investitionsliste des Landes gestrichen wurde, formierte sich aus der Bürgerinitiative die Genossenschaft Stadtbad an der Oderberger Straße, um das Bad doch noch zu retten.

Doch seit der Pleite mit dem Tempodrom ist der Senat vorsichtig geworden mit der Unterstützung von Bauprojekten – auch wenn deren Initiatoren der rot-roten Landesregierung politisch nahe stehen. Die Zusage für die Mittel erhielten die Genossen daher erst Anfang August dieses Jahres, verbunden mit der Auflage, innerhalb von zwei Monaten die feste Zusage der Banken und eine Fertigstellungsgarantie vorzulegen. Daran mussten die ehrenamtlich arbeitenden GenossInnen fast zwangsläufig scheitern.

Die Sanierung ist damit passé. Zwar könnte das Bad weiter als Veranstaltungsraum mit marodem Charme dienen. Doch darin sieht Vorstandsmitglied Thomas Bremen keinen Sinn: „Wir werden auf keinen Fall Partys machen, bis uns die Decke auf den Kopf fällt.“ Denn die Genossenschaft habe nur ein Ziel: die Sanierung des Bades. „Da das nun nicht mehr erreichbar zu sein scheint, gibt es keinen Grund mehr dafür, dass wir weiter bestehen.“ Aber auch Bremen weiß, dass es nicht so einfach ist, eine Körperschaft abzuwickeln. „Wir können nicht einfach die Schlüssel nehmen und wegwerfen“, sagt Bremen. „Wir haben eine Verantwortung für das Gebäude und natürlich für die Einlagen unsere Genossen und Genossinnen“. Die sollen bei einer Vollversammlung am 26. November nun den Vorstand autorisieren, das Gebäude an das Land Berlin zurückzuverkaufen.

Das Land hat laut Vertrag ein Vorkaufsrecht, wenn die Genossenschaft das Bad nicht bis Ende 2007 saniert. Es ist aber nicht zum Kauf verpflichtet. Und es hat auch kein Interesse daran. „Das Stadtbad an der Oderberger Straße gehört der Genossenschaft. So einfach ist das“, sagt Manuela Damianakis, Sprecherin der Stadtentwicklungssenatorin. „Ich sehe keinen Grund, warum das Gebäude an den Liegenschaftsfonds fallen sollte.“

Michail Nelken, Abgeordneter der Linkspartei und selber Stadtbad-Genosse, ist anderer Meinung. „Es ist logisch, dass das Bad an das Land zurückfällt. Vom ersten Finanzierungskonzept an war klar, dass die Sanierung nur mit EU- und Landesmitteln zu stemmen ist“, sagt Nelken. „Wenn der Senat sich seiner damit verbundenen Verantwortung nicht stellt, soll er sehen, ob er die Sanierung ohne das Ehrenamt besser hinkriegt“. Er verlangt nicht nur eine Erstattung des Kaufpreises, sondern zusätzlich noch eine Entschädigung für die Gelder, die von der Genossenschaft für die laufenden Kosten aufgebracht wurden. Eine dauerhafte Nutzung des Stadtbades für Partys und Modeschauen sei laut Nelken nur dann möglich, wenn die Sanierungssatzung geändert würde. Diese verlangt bisher, dass der Badebetrieb wieder aufgenommen werden muss.

Bremen und Nelken fragen sich inzwischen, worum man sich überhaupt streite. „Es ist doch von beiderseitigem Interesse, dass das Bad wieder saniert wird“, sagt Bremen, „wir haben mit unseren Gutachten bewiesen, dass sich das Stadtbad rechnen würde. Außerdem haben wir mit der Genossenschaft als finanzieller Puffer fungiert.“ Wäre das Projekt während des Baus Konkurs gegangen, wäre die Genossenschaft Pleite gegangen. Und das Land hätte für 5,1 Millionen ein saniertes Gebäude bekommen, rechnet Bremen vor.

Einen letzten Rettungsversuch will nun der Bezirk Pankow unternehmen. Die Bezirksverordnetenversammlung beschloss am Mittwoch, allen Beteiligten ein Treffen am runden Tisch vorzuschlagen. Vielleicht geht ja doch noch was.