: Eigentum verpflichtet
■ In Bremen-Nord vergammelt ein Haus
Verpflichtet Eigentum zu nichts? Seit mehreren Jahren beobachten die Nachbarn in Vegesack sauer und verständnislos wie das Eckhaus an der Bertholdstraße/Fährer Flur verfällt. Fest steht, daß der privaten Eigentümerin noch zwei weitere Häuser gehören, die ebenfalls der „Unbrauchbarmachung“ entgegengammeln. Fest steht aber leider auch, daß die Behörden nichts gegen den Verfall tun können.
„Einen sozialpolitischen Skandal“, finden die Vegesacker Grünen den Leerstand. Sie wollen von der Bausenatorin wissen, wie es in Zeiten extremer Wohnungsnot zu einer solchen Situation kommen kann. Die Anwohner klagten mittlerweile über Ratten, die sich rund um das Haus tummeln sollen, erzählt Reinhold Koch von den Grünen. Die Ruine sei schon längst durch Nager zweckenfremdet, die dort in aufgehäuften Papierabfällen ein reiches Nahrungsangebot finden. Die Bausubstanz sei nicht mehr zu retten. Für ihn ist es an der Zeit, daß die Senatorin das Instrument „Baugebot“ prüft. Außerdem fordern die Grünen eine konkrete Auflistung ähnlicher Fälle.
Doch Rainer Imholze kann nur mit den Schultern zucken. Der Sprecher der Bausenatorin glaubt, daß es sich hier um einen Fall von sozialer Härte handele. Die Eigentümerin sei eine alte Frau, der mit knallharten Verordnungen nicht zu begegnen sei. Deshalb könne auch die Zweckentfremdungsverordnung des Landes Bremen nicht greifen. Ein Sonderfall, meint Imholze: „So etwas kommt nur ganz selten vor.“ Trotzdem ist es offenbar noch nicht gelungen, den sich seit Jahren hinziehenden katastrophalen Zustand durch Gespräche mit der Eigentümerin beenden.
Aber wenn das Dach gammelt, ab wann besteht dann Gefahr für die Öffentlichkeit? „Erst bei Einsturzgefahr“ meint Christof Steuer, der Leiter des Bauamtes. Für ihn geht es hier um ein Extrem der Vefügbarkeit über Privatbesitz.“ Da könne er aber auch nichts machen. Wie heißt es noch im Grundgesetz? „Privatbesitz verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
In einer Beiratssitzung am kommenden Donnerstag soll die Frage „Wohnraumverfall bei Wohnungsnotstand“ auf der Tagesordnung stehen. Sarah Lohmann
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