Eigentümer verdrängt Kunstaussteller aus Postfuhramt: Fotogalerie ausgeknipst
Die Galerie C/O Berlin in Mitte schlägt ein unseriöses Angebot des Investors aus und muss bald ausziehen. Pläne fürs Postfuhramt gelten als kaum umsetzbar.
Die Fotogalerie C/O Berlin im ehemaligen Postfuhramt wird das Gebäude in der Oranienburger Straße im März 2011 verlassen müssen. Der neue Besitzer der Immobilie, der israelische Investor Elad, hat geplante Gespräche mit der Galerie abgesagt. Zugleich legte Elad ein Angebot auf den Tisch, das den Verbleib von C/O Berlin im Postfuhramt bis Ende 2011 an räumliche Einschränkungen und finanzielle Aufwendungen knüpfte. Dies lehnt die Galerie ab. Die Hoffnungen des C/O-Machers Stephan Erfurt, die Ausstellungssäle bis 31. Dezember 2011 und womöglich darüber hinaus nutzen zu können, sind damit zerstoben.
Die Israelis hatten Anfang 2010 den Kulturstandort in Mitte erworben, um dort ein Hotel und Läden zu errichten. Sie kündigten den Mietvertrag mit der Galerie im Frühjahr. In ersten Verhandlungen konnte ein Aufschub bis März 2011 vereinbart werden - auch weil sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gegen den Rauswurf von C/O Berlin engagiert hatte.
Die Oranienburger Straße ist eine einzige Partymeile. Nur an der Ecke Monbijoustraße ist es still - und das schon seit November 2008. Damals kündigte der Eigentümer sämtlichen Nutzern, die auf dem 70.000 Quadratmeter großen Areal des ehemaligen Haupttelegrafenamtes aktiv waren, darunter der 2BClub und der Theaterdiscounter Mitte.
Auch der Verein Berliner Unterwelten durfte seine Führungen durch das größte erhaltene Rohrpostsystem der Stadt im Keller des Gebäudes nicht mehr anbieten. "Der Eigentümer kündigte für Anfang 2009 Umbaumaßnahmen an", berichtet Unterwelten-Mitarbeiter Holger Happel. Passiert sei bis heute allerdings nichts. "Da herrscht Totentanz."
Auch südlich der Ziegelstraße, auf dem Gelände der ehemaligen Charité-Frauenklinik, tut sich nichts. Beide Grundstücke gehören dem bayerischen Unternehmer Ernst Freiberger, der darauf ein "Forum Museumsinsel" mit hochwertigem Wohnen, Hotel, Gastronomie und Einzelhandel plant. Seitdem auch die Charité Anfang dieses Jahres auszog, wartet das Grundstück auf seine Entwicklung. Und Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe wartet auf einen Anruf von Ernst Freiberger. "Unser letzter Termin war vor drei Jahren, über die Vorlage eines konkreten Konzepts würde ich mich freuen", meint Gothe. "Solange es kein Shopping-Center oder Hochhaus ist."
Mit Hochhausplänen für das Haupttelegrafenamt war Freiberger bereits 2002 an den Bezirk herangetreten. In einem internen Wettbewerb hatte er den Stararchitekten Helmut Jahn für den Bau eines Wolkenkratzers gewonnen. Doch die Stadtbaurätin untersagte Neubauten, die über die 50 Meter hohe Kuppel der Neuen Synagoge an der Oranienburger Straße hinausragen. Danach wurde es still um Freibergers Forum.
Einen Bebauungsplan für das 70.000 Quadratmeter große Areal zwischen Ziegel-, Monbijou-und Oranienburger Straße gibt es zwar nicht, Grenzen setzen den Bauherrenvisionen aber der Denkmalschutz für die viergeschossigen Putzbauten und die vom Bezirk entwickelten Gestaltungsrichtlinien für die Spandauer Vorstadt. Deren Sorgenkind sei die Oranienburger Straße, sagt Baustadtrat Gothe: "Unser Motto für künftige Bauvorhaben ist: weniger Kommerz und Remmidemmi, mehr Wohnen und Kultur." Deutlicher wird Eva-Maria Eichler, Leiterin der Denkmalbehörde im Stadtplanungsamt: "Dass es keine Hochhäuser in der Spandauer Vorstadt geben wird, ist klar."
Bei der Freiberger Holding heißt es auf Nachfrage, man befinde sich noch in der Konzeptionierungsphase. NINA APIN
Nach Auskunft des Galeriesprechers Mirko Nowak habe der Investor sein jetziges Angebot "mit für uns unrealistischen Auflagen" verbunden. Danach sollte die Galerie innerhalb des Gebäudes "in hintere Räume umziehen" und ihre 2.000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche "deutlich vermindern", sagte Nowak der taz. Der Eingang unter der Kuppel sollte ebenso wie die Schauräume auf die Rückseite des Blocks verlegt werden.
Schließlich seien für C/O Berlin die kalkulierten Umzugs- und Investitionskosten zu hoch gewesen. "600.000 Euro für acht Monate Aufschub können wir nicht investieren. Wir wollten eine Fristverlängerung in den bestehenden Flächen", so Nowak.
Ob es weitere Versuche geben wird, mit Elad ins Gespräch zu kommen - wie das derzeit die Senatskulturverwaltung anstrebt -, ließ die Galerie offen. Vielmehr konzentriere man sich auch auf die Suche nach einem Ausweichquartier oder einem freien Grundstück für einen Neubau. Auch dieser soll "in Mitte" liegen. Ins Auge gefasst hatte die Galerie unter anderem Brachflächen hinter dem ebenfalls vom Aus bedrohten Kunsthaus Tacheles, am Monbijoupark sowie ein Gelände am Humboldthafen.
Nach Darstellung von Erfurt bräuchte die Galerie für den Neubau aber Unterstützung. Er appellierte an die Politik, zu helfen und ein "Gebäude oder geeignetes Grundstück" zur Erbpacht bereitzustellen. Erfurt verwies darauf, dass die heuer 10 Jahre alte Galerie - mit Schauen zu Annie Leibovitz oder Bettina Rheims, Roger Melis oder Magnum - 2009 fast 200.000 Besucher zählte und zu einem "Leuchtturm für Fotografie" geworden sei, der weiterbestehen müsse.
Ob die Vorstellungen des Investors Elad so weiterbestehen, darf ebenfalls abgewartet werden. Die Pläne für Läden und Wohnungen im Postfuhramt und einen möglichen 14-geschossigen Hoteltower im Hof stoßen bei der Baubehörde in Mitte auf Verwunderung. Eva-Maria Eichler, Leiterin der Denkmalabteilung, sagte der taz, dass "der Bestand im Baudenkmal Postfuhramt aus dem Jahre 1875" auf jeden Fall erhalten werden müsse. Großflächige Umbauten kämen nicht infrage.
Zudem hätte ein Hoteltower in der historischen Spandauer Vorstadt keine Chance. Es gelten hier strenge Erhaltungs- und Gestaltungsregeln. Sollte der Investor einen Bauantrag - der bislang fehlt - stellen, würde "ein Hochhaus nicht genehmigt".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid