Miethai & Co.: Eigenbedarf
■ ... und alle Fragen offen Von J. Twisselmann
In der vergangenen Woche wurde in der Presse über eine neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) berichtet, die schon den Wunsch der VermieterIn, die von ihr gekaufte Eigentumswohnung zu beziehen, als relevanten Grund für eine Kündigung ansieht. Wie verträgt sich das damit, daß dieselben Richter im vergangenen Sommer entschieden, das Besitzrecht der MieterIn an der Wohnung sei als eigentumsähnliches Recht durch Art. 14 des Grundgesetzes geschützt? Droht erhöhte Kündigungsgefahr?
Die Entscheidungen des BVerfG zum Eigenbedarf sind so einzelfallbezogen und so sibyllinisch verfaßt, daß auch die Fachgerichte mit ihnen ihre Mühe haben. Das LG Frankfurt provozierte 1988 in einem Räumungsurteil mit der Begründung, durch die letzten Entscheidungen von BVerfG und BGH sei der Kündigungsschutz faktisch abgeschafft. Was das BVerfG dem Landgericht um die Ohren haute, denn natürlich sei der Eigennutzungswunsch des Vermieters allein nicht ausreichend, sondern vom Gericht zu überprüfen, aber eben nur auf Vernünftigkeit, Nachvollziehbarkeit und Ernsthaftigkeit.
Auch die neue Entscheidung des BVerfG (Beschl. v. 11.11.93 - 1 BvR 696/93) kann wieder auf vielfache Weise gelesen und interpretiert werden. Der Wunsch der VermieterIn, die von ihr gekaufte Eigentumswohnung selbst zu bewohnen, darf laut BVerfG von den Gerichten nicht ignoriert werden. Aus ihm kann sich ein berechtigter Eigenbedarf ergeben. Ob dieser Wunsch aber „vernünftig und nachvollziehbar“ ist, kann auch weiter in jedem Einzelfall unterschiedlich zu bewerten sein.
Mieter helfen Mietern rechnet nicht damit, daß der Beschluß des BVerfG spürbare Änderungen in der Hamburger Rechtsprechung nach sich ziehen wird. Ohnehin scheitert die Mehrzahl der Eigenbedarfsklagen nicht bei der Überprüfung des Eigenbedarfs, sondern schon an der formalen Frage, ob die Kündigung ausreichend begründet ist. Bei den Gerichten des Hamburger Umlandes allerdings mag das anders aussehen; dort wurden MieterInnen schon bisher mit leichterer Hand als in Hamburg wegen Eigenbedarfs zur Räumung verurteilt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen