Ehemalige JVA in Göttingen: Soziales Zentrum hinter Gittern

In Göttingen steht ein ehemaliges Gefängnis leer. Initiativen wollen daraus ein Soziales Zentrum machen, die Stadt will an einen Investor verkaufen.

Fassade der ehemaligen JVA in Göttingen

Steht seit vielen Jahren leer: ehemalige Jugendvollzugsanstalt Göttingen Foto: Christina Hintzmann/GT

HAMBURG taz | Es sind mittlerweile schon 14 Jahre, die die ehemalige Jugendvollzugsanstalt in der Göttinger Innenstadt leer steht. Verschlossen präsentiert sich das Gebäude weiterhin: Die Gitter in den Fenstern des U-förmigen Baus mit seiner gelb-roten Fassade sind noch immer installiert.

Seit fast ebenso vielen Jahren gibt es zivilgesellschaftliche Ideen für die künftige Nutzung. Und nun kommt Bewegung in die Debatte, wie das Gebäude künftig genutzt werden kann. Allein: Es droht zum Projekt eines privaten Investors zu werden, weil die Stadt auf einmal das Gebäude loswerden will. Dabei stehen die Initiatorengruppen eines „Sozialen Zentrums“ in den Startlöchern. „Ein Verkauf wäre total verrückt“, sagt Almut Schilling.

Die Sozialarbeiterin und gelernte Krankenpflegerin gehört zum „Göttinger Gesundheitskollektiv“. Mit neun weiteren Ak­ti­vis­t:in­nen aus dem medizinischen Bereich gründete Schilling im vergangenen Jahr das Kollektiv. Dessen Ziel: Ein solidarisches Gesundheitszentrum in der südniedersächsischen Stadt aufzubauen. „In dem Zentrum sollen verschiedene Gesundheits- und Sozialangebote unter einem Dach realisiert werden“, sagt Schilling. Es soll eine Alternative zu ökonomisierten Gesundheitsangeboten darstellen.

Dafür will das Kollektiv gemeinsam arbeiten – ohne Gewinnabsicht und mit ausgeglichener Bezahlung aller Mitarbeiter:innen. Profitieren sollen davon besonders all jene, denen etwa eine Krankenversicherung fehlt oder die als Geflüchtete ohne Aufenthaltsgenehmigung von der medizinischen Versorgung weitgehend ausgeschlossen sind.

Braunschweiger Investor hat Interesse

Vorbild dafür ist die Poli­klinik Veddel in Hamburg. Auch in Berlin oder Leipzig gibt es bereits solche Zentren, in denen eine Allgemeinarztpraxis sowie Gesundheits- und Sozialberatung unter einem Dach von einem Kollektiv betrieben werden. „So etwas fehlt hier in der Stadt“, sagt Schilling.

Gemeinsam mit drei weiteren Gruppen will das Gesundheitskollektiv das ehemalige Gefängnis beziehen: Die Anwohnerinitiative Forum Waageplatz-Viertel will ein inklusives selbstorganisiertes Café, die „Sozialistische Jugend – Die Falken“ brauchen ebenfalls größere Räume – und es soll auch Ausstellungsräume geben. Denn gegenüber der ehemaligen JVA befindet sich der Platz der Synagoge.

Mittlerweile erinnert ein Mahnmal an die Synagoge, die hier bis 1938 stand – Ausstellungsräume, die von der Göttinger Geschichtswerkstatt betrieben würden, könnten weitere Erinnerungsmöglichkeiten schaffen. Durch die anderen Angebote würde auch das Gesundheitszentrum profitieren: „Wir haben einen sozial­medizinischen Ansatz“, sagt Schilling – Räume zum Austausch und Kennenlernen passten da gut rein.

Doch so sehr die Initiator:in­nen auch von ihrem angedachten Sozialen Zentrum überzeugt sind – nun scheint das Ziel weit weg: Die Stadt erwägt den Verkauf des Gebäudes. 2008 hatte sie es vom Land Niedersachsen gekauft. Kurz darauf begannen schon die städtischen Überlegungen, was sie damit anfangen könnte. Doch zunächst fehlte das Geld, weil Fördermittel des Bundes ausblieben.

Bürgermeisterin für Coworkingspaces

Nun aber stehen Fördermittel zur Sanierung des Gebäudes bereit – Politik und Verwaltung haben für die nördliche Innenstadt eine Aufnahme in das Bund-Land-Förderprogramm „Soziale Stadt“ erreicht. Im Falle des ehemaligen Gefängnisses würden etwa zwei Drittel der Sanierungskosten von Bund und Land übernommen werden.

Doch diese Option – Sanierung und anschließende Vermietung – will die Göttinger Oberbürgermeisterin eher nicht. „Ich kann mir gut vorstellen, dass aus diesem Ort ein Coworkingspace entsteht“, schrieb Petra Broistedt (SPD) Ende vergangenen Jahres, als sie sich im Wahlkampf zur Oberbürgermeisterwahl befand.

Nach ihrer erfolgreichen Wahl verfolgt sie das Ziel nun offenbar unbeirrt weiter: Die Stadt führt bereits Gespräche mit einem Braunschweiger Investor. Kommende Woche könnte auch die hinter ihr stehende Ratsmehrheit in diesem Sinne entscheiden. Das Gesundheitskollektiv und die weiteren Initiativgruppen hoffen indes, das noch mit einer bereits laufenden Petition verhindern zu können.

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