Ehefrauen an die Macht: Die wahren First Ladies
Weil sie nicht zweimal kandidieren dürfen, geben einige Präsidenten Lateinamerikas die Macht einfach an ihre Frauen weiter. Diese sind mehr als bloße Marionetten ihrer Männer.
In Lateinamerika zählt die Familie noch was. Wer Entscheidungsgewalt über Einstellungen hat, egal, ob in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst, setzt seinen Bruder, Cousin, Neffen oder Schwager auf einen gut ausgestatteten Posten. Ob der Betreffende dafür taugt oder nicht, ist egal. Oft muss er nicht einmal körperlich anwesend sein.
Frauen waren für Kosmetik und Kirche da. (Kinder und Küche werden in solchen Kreisen von Hausmädchen versorgt.) Unter eher linken Nepotisten aber hält neuerdings die Emanzipation Einzug: Sie befördern nicht mehr nur den männlichen Teil des Clans, sondern ganz bevorzugt die eigene Gattin. Jetzt kommt der Mulierismus.
Néstor Kirchner, bis Ende 2007 Präsident von Argentinien, machte es vor: Statt sich am Ende seiner ersten Amtszeit der Wiederwahl zu stellen, ließ er seine Gattin Cristina Fernández de Kirchner auf der Welle seiner damaligen Popularität als seine Nachfolgerin ins höchste Staatsamt schwimmen.
In Zentralamerika sind die sozialdemokratischen Präsidenten Mauricio Funes in El Salvador und Álvaro Colom in Guatemala und der altlinke Daniel Ortega in Nicaragua an der Macht. Dort ist die direkte Wiederwahl nach den derzeit gültigen Verfassungen ausgeschlossen. Aber die Ehefrauen werden schon einmal in Position gebracht: Die First Ladies Vanda Pignato (El Salvador), Sandra Torres (Guatemala) und Rosario Murillo (Nicaragua) bekleiden allesamt Superministerien in den Regierungen ihrer Gatten. Alle drei sind sie Herrinnen über Sozialprogramme für die Armen. Sie können Geld verteilen und machen das gerne höchst persönlich. Das bringt Stimmen für die nächste Wahl.
Murillo ist die Schillerndste von allen. Schmal, verhärmt und immer missmutig. Mit wilden schwarzen Locken und weiten bunten Röcken aus der Zeit der Landkommunen. Stets trägt sie 28 Ringe, 14 an jeder Hand. Dazu sieben Halsketten und sechs Armbänder. Die Zahlenmystik dieser Zusammenstellung versteht nur sie selbst. Sie ist firm in geheimen Wissenschaften, dunklen Religionen, Symbolen, Farben und Riten aller Art und das macht vielen Nicaraguanern Angst. Sie halten ihre First Lady für eine Hexe.
Gatte Ortega dagegen schätzt "ihre große spirituelle Kraft" und überlässt ihr die Kontrolle über seine öffentlichen Auftritte bis hin ins letzte Detail. Sie entscheidet nicht nur, wer mit dem Präsidenten redet. Sie ordnet höchstselbst an, welche Blumen in welcher Farbe und welcher Zahl das gemeinsame Erscheinen schmücken sollen. Die Blüten, sagt sie, würden vor Neid und anderen Dämonen schützen. Ohne Blumen und ohne Murillo ist Ortega schon lange nicht mehr gesehen worden.
Das war nicht immer so. Früher, in der ersten Regierungszeit der Sandinisten (1979 bis 1990), da war Ortega noch ein richtiger Macho. Der König der Klatschpresse, die damals gerne die häufig wechselnden Liebschaften ablichtete, mit denen sich der Comandante befasste. Die Ehefrau war eine graue Maus im Hintergrund. Eine drittrangige Kulturfunktionärin und zweitrangige Dichterin, die dem Gatten ein Kind nach dem anderen gebar. (Gemeinsam haben sie acht. )
Murillos Älteste, Zoilamérica Narvaez, ist der Grund für die Macht der Mutter. Sie stammt aus einer Liaison aus der Zeit vor Ortega und klagte ihren Macho-Stiefvater 1998 an, er habe sie elf Jahre lang sexuell missbraucht. Murillo, selbst oft genug vom Gatten gedemütigt, sprang nicht ihrer Erstgeborenen zur Seite. Sie nutzte ihre Chance, deckte den Gatten und hat ihn seither in der Hand. Ihr unaufhaltsamer Aufstieg begann. Heute ist sie Chefin des Sozialkabinetts, Vorsitzende des Rats für Bürgerkommunikation und sie überwacht die so genannten Räte der Volksmacht, eine sandinistische Parallelstruktur zu offiziellen Institutionen. Dank dieser Ämterhäufung kontrolliert sie sämtliche Sozialprogramme, die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung und das Fußvolk der Regierungspartei.
Wenn das Präsidentenpaar gemeinsam auftritt, geht sie in der Regel voran und er tappelt mit hochgezogenen Schultern hinterher. Sie spricht zuerst und erteilt ihm dann das Wort. Er sagt, sie habe fünfzig Prozent der Macht. Bei solchen Auftritten wirkt das eher untertrieben und kaum einer in Nicaragua zweifelt, dass sie sich 2011 um die Nachfolge des Präsidentengatten bewerben wird. Es sei denn, Ortega schafft es noch irgendwie, das Verbot der direkten Wiederwahl aus der Verfassung zu streichen.
Die Pragmatische
Álvaro Colom und Sandra Torres in Guatemala geben rein äußerlich ein ähnliches Gespann ab: Der Präsident ist groß und hager und geht und steht stets nach vorne gebeugt und mit hängenden Schultern. Es fällt ihm schwer, ganze Sätze zu sprechen, und genauso fahrig ist seine Gestik. Er ist zaudernd und entscheidungsschwach - ganz anders als seine First Lady. Die ist zupackend, bestimmt und direkt. Eine Karrierefrau mit praktischem kurzem Haarschnitt. Wirtschaftsanwältin, Universitätsprofessorin und Zeitungskolumnistin. Man sieht sie fast nur im businessgerechten Hosenanzug.
Sandra Torres regiert mit. Der Gatte schaffte ihr ein Superministerium für Soziales, in dem die Ressorts Bildung, Gesundheit, Ernährung und ländliche Entwicklung zusammengefasst sind. Sie ist das Schwergewicht im Kabinett. Und sie ist die Frau, die Geld verteilt. Gerne fährt sie hinaus aufs Land, nimmt alte Indianerinnen in den Arm und küsst Maya-Babys - den Fotoreporter immer zur Seite. Natürlich hinterlässt sie auch ein paar Wohltaten. Das zahlt sich aus: Die Landbevölkerung stimmte bei Wahlen schon immer für ihren Brotgeber. Das nächste Mal wird es eben eine Brotgeberin.
Natürlich kritisiert die Opposition den Populismus der First Lady. Doch das lässt Sandra Torres kalt. "Es interessiert mich nicht, wenn man sagt, ich hätte das Heft in der Hand und nicht der Präsident", sagt sie. "Und es interessiert mich nicht, wenn behauptet wird, meine Stellung in der Regierung sei verfassungswidrig. Ist es verfassungswidrig, wenn man den Armen hilft?" So zieht sie ungerührt weiter durchs Land und eröffnet Suppenküchen und Schulen und wird dabei immer beliebter. Nach Umfragen mögen sie bereits sechzig Prozent der Guatemalteken.
Das Frauchen
Sandra Torres war schon immer taff, Vanda Pignato dagegen erschien bis zum 1. Juni eher lieblich. Im Wahlkampf des Mauricio Funes war sie die Zierde an der Seite, meist Händchen haltend und lächelnd und immer stumm. Gerne ließ sie sich in der Kirche sehen, bevorzugt im weißen Kostüm. Anfragen wegen Interviews lehnte sie kategorisch ab, und so erfuhren die Salvadorianer erst nach der Wahl, dass sie spanisch mit portugiesischem Akzent spricht. Die gebürtige Brasilianerin lebt zwar schon seit 15 Jahren in El Salvador, nahm aber erst im Wahlkampf die Staatsbürgerschaft ihres Gastlandes an - die Voraussetzung für ein Amt im Kabinett.
Dass sie in den Wochen vor der Wahl die Devote gab, war sicher eine Empfehlung der Spindoktoren. Funes war, bevor er vor eineinhalb Jahren erst Mitglied der Ex-Guerilla-Partei FMLN und dann deren Präsidentschaftskandidat wurde, der Fernsehstarjournalist des Landes. Und zu Stars gehören immer auch Frauen. Die aktuelle ist die dritte, mit der Funes verheiratet ist. Bei der stockkatholischen Landbevölkerung kommt das nicht gut an. Um keine Angriffsfläche zu geben, spielte Vanda Pignato das Frauchen. Doch kaum war der Gatte an der Macht, wuchs sie über die Beiwerkfunktion weit hinaus. Wie Sandra Torres in Guatemala leitet auch sie nun ein Superministerium für Soziales und ist für alle Regierungsprogramme zuständig, die mit Kindern, Jugendlichen und Alten zu tun haben. Und auch sie umarmt inzwischen Alte und herzt Kinder und hält öffentliche Reden.
Sie war es auch, die den Gatten mit dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva zusammenbrachte. Funes verehrt seinen südamerikanischen Kollegen inzwischen wie einen politischen Vater - sehr zum Ärger seiner deutlich linkeren Partei. Die First Lady mag Lula schon lange: Sie war vor 15 Jahren als Repräsentantin der von ihm geleiteten brasilianischen Arbeiterpartei nach El Salvador gekommen. Lenkt sie nun auch die Geschicke der Wahlheimat? "Ich bin keine Rosario Murillo", hat sie sich schon oft wehren müssen. Sechs Wochen als First Lady sind zu wenig Zeit, um diese Aussage überprüfen zu können.
Mitarbeit: Toni Keppeler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht