piwik no script img

EditorialDrei Fehler

Von unserer Redaktion

Es gibt junge Menschen, die sich echte Sorgen machen um ihre Zukunft und die der Welt, weil viele Alten es mit dem Klimaschutz nicht so hatten. Sondern eher mit dem Geldverdienen. Wie Martin Herrenknecht. Der Tunnelbohrmaschinenhersteller, 80, hat gute Geschäfte gemacht. Besonders gerne in Russland, erzählte er jüngst beim Neujahrsempfang der Gemeinde Meißenheim. Von Wodka und Bruderküssen mit Breschnew war die Rede, auch mit Putin habe er sich verstanden, guter Mann, eigentlich. Und weiter: „Jetzt macht er halt ein bisschen Blödsinn in der Ukraine.“ Genau. Tausende tote Zi­vi­lis­t:in­nen und Soldat:innen, zerstörte Städte, zerstörte Familien – Blödsinn. Während die Äußerung in der Meißenheimer Gemeindehalle laut „Stuttgarter Zeitung“ belacht wurde, musste Herrenknechts PR-Abteilung sich anschließend viel Kritik anhören. Und erklärte flugs, dass Herrenknecht den Krieg selbstverständlich ernst nehme und explizit verurteile.

Blödsinn entdeckt hat auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Grüne, 75 Jahre alt. Und zwar bei Greta Thunberg. Die hat angesichts der Räumung von Lützerath zum Zwecke des Kohleabbaus erklärt, die Grünen hätten ihre Ideale verraten. „Die Aussage ist einfach Blödsinn“, meint Kretschmann. Die Lützerath-Räumung, die auch an der Basis der Grünen umstritten war, scheint ihn zu bewegen. So erklärt er in einem großen Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“: „Die Menschen wollten etwas verhindern, was demokratisch gewählte Regierungen beschlossen haben. Das ist in keiner Weise legitim.“

Da müsste manch grüne Po­li­ti­ke­r:in stutzig werden. Sind doch zumindest die Älteren unter ihnen mit radikalen Demos gegen Atomkraftwerke und Wiederaufarbeitungsanlagen und Blockaden von Kasernen politisiert worden. Nun wissen sie von oberster Stelle: Das war falsch. Also: Wenn demokratisch beschlossen wird, dass Vater Staat entscheidet, ob Frau abtreiben darf – Maul halten und Kind kriegen. Wenn demokratisch beschlossen wird, das eigene Dorf plattzumachen für die finanziellen Interessen von sonst wem – Klappe zu und umziehen. Ein interessantes Demokratieverständnis. Unter Blödsinn jedenfalls fällt das nicht mehr. Eher unter „Ich habe keine Lust, mich mit anderen Auffassungen als meiner eigenen zu befassen. Weil ich's eh besser weiß.“

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen