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Editorial

Elf iranische Journalisten und Schriftsteller haben sich Ende 1991 vom unabhängigen Fernsehsender Channel 4 (GB) für einen Film interviewen lassen. Ihre Aussagen wurden für 'Index on Censorship‘ Heft 3/92 zu ganzen Texten „montiert“. Davon habe ich vier (teilweise stark gekürzt) ausgewählt, um ein Bild der „Meinungsvielfalt“ zu wahren, die im Iran zur Zeit öffentlich ausdrückbar scheint. Denn das Ungewöhnliche der Interviews ist, daß ihre Autoren nicht etwa im Exil sind. Fast alle lebten schon zu Schah-Zeiten in Teheran, und sie wohnen und arbeiten dort bis heute. Ende letzten Jahres waren sie bereit, ihre sowohl nach „links“ als auch nach „rechts“ hin abweichenden Meinungen von der offiziellen Regierungspolitik öffentlich vorzutragen.

„Rechtsabweichler“ ist Yousef Ali Mirshakkak, der in seinem (in einem Kasten dokumentierten) Text der Regierung vorwirft, eine pazifistische, vom Westen beeinflußte Kunst- und Intellektuellenszene zu fördern. Er kritisiert außerdem ihren Versuch, religiöse Führung und wirtschaftliche Strategien zu verknüpfen, und charakterisiert das Bedürfnis nach Pressefreiheit als das luxuriöse Verlangen einer westlichen Elite.

Daß das Risiko der liberalen Abweichler weiterhin größer ist als das der Fundamentalisten, zeigt sich jedoch u.a. im Gebrauch des Wortes ‘Lobbyisten' durch die Autorin Naheed Mousavi, die die organisierten Schlägerbanden des militanten Klerus nicht präziser zu benennen wagt.

Die (zusammengefaßten) Interviews werden mit einer Kurzgeschichte von Esmail Fassih ergänzt. Alles zusammen ergibt hoffentlich ein differenzierteres Bild von den (Kultur-)Kämpfen im Iran, als es üblicherweise in der internationalen Presse verbreitet wird.

Uta Ruge

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