Editorial von Andreas Rüttenauer: Bescheidene Superlative
Es ist ruhig geworden um Bremen. Sie sind rar geworden, die auf Provokation angelegten Forderungen nach einer Abschaffung dieses Bundeslandes, das sich auf Kosten der anderen Länder in seiner Armut ganz gut eingerichtet habe. Man hat sich an dieses Kuriosum im Norden der Republik gewöhnt, das kleinste Bundesland, den Zwei-Städte-Stadtstaat. Bremen stört nicht weiter – trotz seines schlechten Rufs.
Eine Statistik, die Bremen als Schlusslicht ausweist, ist schnell gefunden. Irgendein Bildungsmonitor, ein Armutsranking, eine Kriminalitätsstatistik. Und auch noch das: Vier Jahre lang ist Bremen von einem rot-grün-roten Senat regiert worden. Die Aufregung um das bisschen Kommunismus im traditionell SPD-roten Bremen war schnell verklungen, als klar war, dass dieses in einem rein westdeutschen Bundesland einmalige Experiment ganz passabel funktioniert hat. Es taugt zum Hingucker.
Und sollte es Bürgermeister Andreas Bovenschulte und seiner SPD tatsächlich gelingen, am Sonntag die bewährte alte Nachkriegsordnung wiederherzustellen, in der die Sozialdemokraten immer stärkste Kraft waren, könnte er als Retter seiner Partei gefeiert werden. Vor vier Jahren war die CDU der Hingucker, als sie erstmals vor der SPD eingelaufen war. Umfragen zufolge könnte das ein einmaliger Ausrutscher gewesen sein. Bremen wäre dann wieder das Bremen, das es immer war: bemerkenswert rot.
Bemerkenswert ist so manches in dem Bundesland, das bisweilen weniger Medienpräsenz hat als eine wirklich kleine Stadt wie Tübingen. Die Stadt zieht es nicht auf die große Bühne. Herzeigen, was einem gehört oder was man draufhat, so scheint es, darauf wird in Bremen nicht viel Wert gelegt. Am Ende könnte glatt noch jemand meinen, das kleine Land möchte hoch hinaus. Bloß keine Ambitionen!
Dabei lassen sich jede Menge Superlative finden im Land Bremen, das mit seinen 420 Quadratkilometern sechsmal ins Saarland passen würde, der andere deutsche Maßstab fürs Kleine: Bremen ist Spitze beim Haushalten, in der Geistesgeschichte, überhaupt im kritischen Umgang mit der Geschichte, beim Rauchen in der Kneipe, in der linken Kurve bei Werder Bremen oder in Bremerhaven. Doch, das Land, in dem am Sonntag eine neue Bürgerschaft gewählt wird, vermag durchaus zu strahlen. Zumindest im Kleinen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen