Editorial Sonderausgabe Frauentag 2012: Nimm mich, Tarzan!
Am Internationalen Frauentag scheint es, als wäre nichts geblieben von all den langen Kämpfen. Befinden wir uns im Zeitalter der Unterwerfung?
E s scheint, als wären Jahrhunderte vergangen. Und nichts wäre geblieben von all den langen Kämpfen. Vom Verbrennen der BHs, den Latzhosen, von der Verweigerung, mitzuspielen im System der universalen Bespaßung des Mannes.
Ob in der Berufsschule, in den Hörsälen, in der Disse oder auf’m Boulevard: Die Lippen der Mädels glänzen rot, die Brüste, drall, bepudert und gepusht, drängen sich dem Betrachter entgegen, die Augenbrauen sind in die rechten Bahnen gezupft, die Haare stundenlang gestylt. Nimm mich, Tarzan!
Sind das die selbstbewussten Postfeministinnen von heute? Oder doch eher feige Frauen? „Schoßgebete“, die eine scheinbar unendliche Abhängigkeit des Weibes vom Mann beschreiben, verkaufen sich millionenfach, in Kursen wird karrierebewussten Frauen beigebracht, wie man strategisch schweigt, um nicht in die wenig erfolgversprechende Schublade des Wutbürger- oder Gutmenschentums gestopft zu werden.
ist Chefredakteurin der taz.
Müssen wir heute, an diesem 101. Geburtstag des Internationalen Frauenkampftags, feststellen, dass wir uns zumindest in Deutschland wieder im Zeitalter der Unterwerfung befinden?
Das ist die Leitfrage dieser Sonderausgabe, der wir nachgehen. In einem hochkarätig besetzten Streitgespräch debattieren die Beteiligten über Sinn und Gefahren einer Quotierung. Wir beschäftigen uns mit dem Phänomen, dass so viele Frauen bei ihren Männern bleiben, obwohl sie nichts Gutes mehr von ihnen erwarten.
Wir lassen auch Frauen zu Wort kommen, die nicht länger von Unterwerfung sprechen wollen, sondern bitte schön davon, dass es in einer freien Welt Frauen auch möglich sein muss, eine freiwillige Unterordnung zu leben. So viel Selbstbestimmung, bitte schön, muss erlaubt sein. Und wenn eine ihren Verstand verlieren will beim Hineinfallen in die Liebesfalle: Voilà, bitte schön, wenn’s Spaß macht.
Und woran haben Sie als Erstes gedacht, als Sie das Wort „Unterwerfung“ gelesen haben? Natürlich. An Sex, an Rollenspiele, SM vielleicht. Auch damit beschäftigen wir uns. Und hier gibt es, hier muss es freilich einen Appell der Macherinnen geben. Spielen ist erlaubt, aber wenn schon Unterwerfung, dann bitte in der richtigen Grundhaltung. Und die muss, egal in welcher Stellung oder Position, in jedem Falle lauten: oben bleiben. In diesem Sinne: Einen schönen 8. März!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga