: Edikt
An alle Chefredaktionen von Zeitungen, Direktoren von Nachrichtenagenturen und anderen Massenmedien der Republik Belarus!
Angesichts des Maireferendums und in Vorbereitung der zweiten Wahlrunde für den Obersten Sowjet ist deutlich geworden, daß ein Teil der Medien ihre Pflicht nicht so erfüllt, wie sie im „Gesetz für Presse und andere Medien der massenhaften Verbreitung von Nachrichten“ definiert ist. Leitende Regierungsmitglieder und Arbeiter, Mitglieder der Sicherheitskräfte, Ausschüsse des Obersten Sowjets sowie die Regierung und der Präsident von Belarus sind Opfer von Fehlinformationen geworden.
Die Chefredakteure in Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten geben eine verfälschende Darstellung der Ergebnisse des Referendums, der Innen- und Außenpolitik der Regierung und der Ziele und Intentionen der Reformen im Bildungssystem, die der Herstellung gesellschaftlicher Harmonie in unserer Republik dienen sollen.
Bei vielen Gelegenheiten haben die Medien ein falsches Bild über die Aktivitäten bestimmter Instanzen geliefert, die dazu da sind, Korruption, Bestechung und Machtmißbrauch durch verantwortliche Beamte, besonders den Kontrollrat (Kontrolnaja Palata), den Obersten Sowjet und die Kontrollausschüsse des Präsidenten der Republik zu untersuchen. Gleichzeitig präsentieren sie, vielleicht absichtlich, ein schmeichelhaftes Bild vom Verhalten bestimmter Unternehmen, privater Investorengruppen und Politiker, die sich offen als Nationalisten und Russophoben bekennen und dadurch die Spaltungen in unserer Gesellschaft vertiefen.
Es wird immer schwerer, objektive, wahrheitsgemäße und konstruktive Beiträge über das Leben in der Republik, über den arbeitenden Menschen, hohe moralische Grundsätze und die Geschichte und Zukunft des belorussischen Volkes in unseren Zeitungen und Fernsehsendungen zu finden.
Ehrlichkeit, menschlicher Anstand, Pflicht und Verantwortungsbewußtsein gegenüber Volk und Vaterland sind ersetzt worden durch Themen, die dem Volk fremd sind, wie kleinliche politische Streitereien und die sogenannte „Neue Kultur“. Wenngleich dies vom Justizministerium und dem für Kultur und Pressewesen bisher toleriert worden ist, so sind doch immer mehr Menschen frustriert und alarmiert über diesen Zustand.
Als Oberhaupt des Staates ist es meine verfassungsmäßige Pflicht, Ihnen diese dringlichen Probleme zur Kenntnis zu bringen. Um der nationalen Stabilität und des Fortschritts des belorussischen Volkes willen hoffe ich, daß die Medien die notwendigen Änderungen vornehmen werden.
Aleksandr Lukaschenka,
Präsident der Republik Belarus, am 1. September 1995
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen