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EUROPA MUSS SICH AUF VERÄNDERTE VERHÄLTNISSE IN PARIS EINSTELLENFrankreich wird nicht sparen

Es ist erst einige Monate her, da hat Jacques Chirac im Präsidentschaftswahlkampf großzügig Milliarden versprochen: Polizei, Justiz und Militär würden mehr Geld bekommen. Zugleich kündigte er Geschenke für die besser Verdienenden an und versprach, Einkommensteuer, Unternehmensteuer und Lohnnebenkosten zu senken. Die Mittel dafür sollten aus dem Wirtschaftswachstum kommen, das Chirac für 2003 auf 3 Prozent schätzte.

Inzwischen hat die Realität den Wahlkämpfer eingeholt. Dazu gehört ein Wirtschaftswachstum, das in diesem Jahr bei 1 Prozent und im nächsten Jahr bei maximal 2,5 Prozent liegen wird. Dazu gehört aber auch eine explosive soziale Lage, die keine weiteren Einschnitte zulässt. Wie stark die Bereitschaft zum Protest ist, hat in der vergangenen Woche die große Demonstration gegen den Raubbau am öffentlichen Dienst gezeigt.

Chirac und seine rechte Regierung verfügen zwar über die absolute Mehrheit im Land, doch ihr Handlungsspielraum ist gering. Selbst wenn sie wollten, ihren Haushalt für das nächste Jahr könnten sie kaum senken. Ihnen droht also entweder ein Konflikt im Inneren oder ein Konflikt mit Brüssel. Angesichts dieser Alternative fiel die Entscheidung leicht. Zumal sich die außenpolitischen Prioritäten Frankreichs seit dem Machtwechsel geändert haben.

An die Stelle eines vagen europäischen Interesses ist wieder ein nationales Interesse getreten, das sich an gaullistische Vorbilder anlehnt: eine starke nationale Verteidigung, in deren Mittelpunkt Prestigeprojekte wie der Milliarden Euro teure Bau eines zweiten Flugzeugträgers stehen, eine starke internationale Interessenvertretung Frankreichs, wie etwa der gegenwärtige Militäreinsatz in der Elfenbeinküste, und das Beharren auf französischen Positionen in haushaltspolitischen, landwirtschaftlichen und anderen Fragen in der EU.

Im Inneren Frankreichs wird der Verstoß gegen die EU-Regeln keine Proteste auslösen. In Europa hingegen müssen sich die Partner darauf einstellen, dass sich die Verhältnisse in Paris geändert haben. DOROTHEA HAHN

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