EU-weite Verkehrsdatenbank: Keine Gefahr für Autosünder
Eine neue EU-Richtlinie zur Ahndung von Verkehrsdelikten wirkt eher zahnlos. Die ursprüngliche Version wurde deutlich verwässert. Kritik äußern nicht nur die Grünen und der ADAC.
STRASSBURG/BRÜSSEL afp/dpa/dapd | Das Europaparlament stimmte am Mittwoch in Straßburg für die Versendung von Strafzetteln über die Grenzen hinweg. Raser und Verkehrsrowdys können demnächst über einen EU-weiten zentralen Datenaustausch ausfindig gemacht werden. Dazu soll die zentrale Datenbank "Eucaris" geschaffen werden.
Das Land, in dem der Verkehrssünder aufgefallen ist, kann dann auf Anfrage den entsrechenden Bußgeldbescheid weiterleiten. Die Neuregelung gilt nur für bestimmte Verkehrsdelikte - etwa Geschwindigkeitsüberschreitungen, Alkohol und Drogen am Steuer, das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts, Telefonieren mit Handy am Steuer oder das Überfahren einer roten Ampel.
Die ursprünglich geplante Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Mahnverfahrens wurde allerdings vorab vom Ministerrat aus der Vorlage gestrichen. Damit bleibt die Durchsetzung eines Mahnbescheids freiwillig und hängt weitgehend von den Entscheidungen der betroffenen Länder ab.
Der Ministerrat muss die Richtlinie noch absegnen. Der Rat, in dem die 27 EU-Staaten vertreten sind, habe den ursprünglichen Text verwässert, bedauerte die Berichterstatterin, die spanische Sozialistin Inés Ayala Sender. Damit beschränke sich die Neuregelung nun auf einen Datenaustausch zwischen den Mitgliedsländern. Zudem haben diese zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Weiter abgeschwächt wird die Richtlinie durch Irland, Großbritannien und Dänemark.
Abschreckender Effekt
"Freifahrt für Raser", nennt deshalb der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Michael Cramer, die neue Bestimmung. "Von den vollmundigen Ankündigungen bleibt in der Realität nicht mehr als ein bloßer Informationsaustausch übrig." Er betonte weiter, dass sich vor allem "die Bundesregierung gegen eine effektive Strafverfolgung gewehrt" habe, da die über den Datenaustausch mögliche Halterhaftung gegen die deutsche Verfassung verstoße.
Kritik kommt auch von der SPD im Europaparlament und dem ADAC. So läuft die Regelung nach Einschätzung des Autoclubs bei Trunkenheit am Steuer ins Leere, weil die Polizei alkoholisierte Fahrer direkt fassen muss, um Beweise zu erheben.
Die Höhe der anvisierten Strafen entsprechen den Vorschriften des Landes, in dem die Verkehrsverstöße begangen wurden. Für deutsche Autofahrer könnte das teuer werden, denn im Ausland sind die Strafen oft deutlich höher als hierzulande. Um Datenschutzbestimmungen einzuhalten, sollen alle übermittelten persönlichen Daten nach Abschluss des Verfahrens gelöscht werden.
Theoretisch können Falschparker und Raser bereits heute zur Zahlung von Strafzetteln aus anderen EU-Ländern gezwungen werden - sofern das Bußgeld mindestens 70 Euro beträgt. Bisher werden jedoch nur selten über EU-Grenzen hinweg Knöllchen versandt, weil der Aufwand für ausländische Behörden zu groß ist. Spätestens ab 2013 sollen sie dank der Neuregelung den betroffenen Fahrer zumindest leichter aufspüren können.
"Wir wissen, dass ausländische Fahrer drei Mal häufiger gegen die Regeln verstoßen als einheimische Fahrer", sagte EU-Verkehrskommissar Siim Kallas. "Die neuen Regeln sollten nun einen abschreckenden Effekt haben und das Verhalten ändern." Ob das mit der neuen Richtlinie funktioniert ist, scheint aber eher unwahrscheinlich.
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