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EU reagiert auf ReformvorschlägeNeue Vorschläge, alte Verärgerung

Auch die jüngsten Reformvorschläge aus Athen stoßen bei der EU-Komission auf Unzufriedenheit. Dabei läuft das griechische Hilfsprogramm diesen Monat aus.

UnsiHEute Abend soll es erneut ein Krisentreffen zu Griechenland geben. Foto: dpa

Brüssel afp | Im Ringen um eine Lösung in der griechischen Schuldenkrise hat sich die EU-Kommission offen unzufrieden mit den jüngsten Reformvorschlägen aus Athen gezeigt. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici habe griechischen Vertretern am Dienstagnachmittag mitgeteilt, dass die Vorschläge hinter dem zurückblieben, was in der vergangenen Woche vereinbart worden sei, sagte ein Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch in Brüssel. Aus Sicht der Kommission liege „der Ball jetzt im Feld der griechischen Regierung“.

Das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland verhandelt seit Monaten mit seinen internationalen Kreditgebern über die Bedingungen, zu denen in Aussicht gestellte Hilfsgelder von 7,2 Milliarden Euro ausgezahlt werden sollen. Die bisherigen Reformvorschläge aus Athen reichten den Geldgebern nicht aus. Nun wird die Zeit knapp, das das griechische Hilfsprogramm Ende Juni ausläuft.

Griechenland hatte am Dienstagmorgen neue Vorschläge nach Brüssel geschickt. Auf Verärgerung stießen bei den Gläubigern offenbar die Vorstellungen zum Primärüberschuss – also zum Haushaltssaldo vor Zinszahlungen und Schuldentilgung. Die Geldgeber wollen für dieses Jahr einen Primärüberschuss von einem Prozent, Athen bot aber zuletzt weiter nur 0,75 Prozent an. Von dem Haushaltsziel hängt ab, wie stark die griechische Regierung sparen muss.

Moscovici habe den griechischen Vertretern klar gemacht, „dass ihre jüngsten Vorschläge nicht den Stand der Gespräche zwischen Präsident Juncker und Ministerpräsident Alexis Tsipras von Mittwochabend widerspiegeln“, sagte der Kommissionssprecher mit Blick auf das Treffen in der vergangenen Woche. Sie liefen auch dem zuwider, was zwischen Moscovici und den griechischen Verhandlungsführern am Montagnachmittag besprochen worden sei.

Flexibilität bei Reformmaßnahmen

Es sei „wichtig“, dass es in den kommenden Tagen eine Einigung auf die Ziele für den Primärüberschuss gebe, „die die vorangegangenen Gespräche zwischen Tsipras und Juncker widerspiegeln“, sagte der Sprecher. Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis habe auch klar gemacht, dass es „Flexibilität“ gebe, um bestimmte Reformmaßnahmen durch andere zu ersetzen, insbesondere bei der Mehrwertsteuer und Renten.

Die „technische Arbeiten“ würden fortgesetzt, um die Differenzen zwischen den unterschiedlichen Positionen zu überbrücken, sagte der Juncker-Sprecher. Ziel sei es, „eine einstimmige Entscheidung unter den 19 Mitgliedern der Eurozone zu ermöglichen“. Offen blieb angesichts der festgefahrenen Lage, ob es am Mittwochabend zu einem von Athen angekündigten Spitzengespräch von Tsipras mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident François Hollande am Rande des EU-Lateinamerika-Gipfels in Brüssel kommen wird.

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1 Kommentar

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  • Grexit ist auch eine Lösung...

     

    -- fwd:

     

    Lehren aus der Geschichte: «Grexit» muss kein Desaster sein

     

    Seit 1945 ist es weltweit zu über 70 Austritten aus Währungsunionen gekommen. In den meisten Fällen führte dies zu einer Ankurbelung des Wachstums.

     

    ...je länger die Krise sich ohne erkennbare Lösung hinzieht, desto wahrscheinlicher wird das Szenario eines Austritts aus der Währungsunion. Ein solcher «Grexit» wird in der öffentlichen Debatte meist als Marsch auf völlig unbekanntem Terrain dargestellt. Das stimmt jedoch nur mit Blick auf die noch relativ junge Euro-Zone.

    Andernorts und zu früheren Zeiten ist es durchaus schon zu Austritten aus Währungsräumen gekommen, und zwar seit 1945 über 70 Mal, was immerhin einem Exit pro Jahr gleichkommt. Wie das Forschungsinstitut Oxford Economics in einer Studie anhand historischer Daten darlegt, wäre ein «Grexit» denn auch keineswegs derart einzigartig, wie dies oft behauptet wird...

     

    ...Link zum Artikel von Thomas Fuster, NZZ vom 8.6.15: http://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/grexit-muss-kein-desaster-sein-1.18557658