EU-Verfahren im Roma-Streit: Kommission geht gegen Frankreich vor
Die EU-Kommission hat ein Verfahren gegen Frankreich eingeleitet. Die Roma-Abschiebungen widersprächen den Regeln zur freien Niederlassung von EU-Bürgern.
BRÜSSEL epd | Die EU-Kommission hat wegen der Abschiebungen von Roma ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich eingeleitet. Es müsse für alle Bürger in der EU rechtliche Sicherheit geben, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch in Brüssel. EU-Parlamentarier begrüßten die Entscheidung der Kommission. EU-Justizkommissarin Viviane Reding zeigte sich zufrieden, dass die EU-Grundrechtecharta eingehalten werde.
Die EU-Kommission hatte seit August die Vorgänge in Frankreich geprüft. Am Mittwoch stellten die Kommissare einstimmig einen Verstoß Frankreichs gegen die Personenfreizügigkeit fest. Gemäß der EU-Richtlinie können sich alle EU-Bürger frei in den EU-Staaten bewegen. Eine Ausweisung von EU-Bürgern kann nur dann veranlasst werden, wenn sie kriminell werden oder ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können.
Verstöße gegen die EU-Richtlinie gibt es auch in anderen Mitgliedsstaaten, darunter Italien, Dänemark und Schweden. Die Kommission will ein Verfahren gegen dies Länder prüfen.
Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Martin Schulz, begrüßte den Beginn des Vertragsverletzungsverfahrens. "Zum ersten Mal hat die Kommission bewiesen, welche Macht sie als Wächterin der europäischen Gesetzgebung hat", sagte der Parlamentarier. Die Kommission habe sich von einem großen Staat wie Frankreich nicht abschrecken lassen.
EU-Parlamentarier und Menschenrechtsorganisationen hatten der französischen Regierung Rassismus und bewusste Diskriminierung vorgeworfen. Die EU-Kommission will hierzu weitere Gespräche mit Frankreich führen. Ein Verfahren ist zu diesem Punkt bisher nicht geplant.
EU-Justizkommissarin Viviane Reding gab am Mittwoch keine persönliche Stellungnahme ab. "Wir sind zufrieden mit der Entscheidung. Sie ist im Sinne der Europäischen Union und die EU-Grundrechtecharta wird gewahrt", sagte ein Sprecher Redings. Die Justizkommissarin hatte Frankreich Mitte September ungewohnt scharf kritisiert. Vor allem ihr vermeintlicher Vergleich der Roma-Abschiebungen mit Deportationen im Zweiten Weltkrieg hatte eine heftige Reaktion des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ausgelöst.
Frankreich erhält eine Frist bis zum 15. Oktober, um die Personenfreizügigkeit in der Gesetzgebung und in der Praxis umzusetzen. Wird diese Frist nicht eingehalten, übernimmt der Europäische Gerichtshof in Luxemburg die Verhandlungen. Rechtsexperten gehen von einem langwierigen und komplizierten Verfahren aus. Wird das Land verurteilt, kommen hohe Geldstrafen auf das Land zu.
Experten zufolge hat Frankreich seit Anfang des Jahres über 8.000 Roma des Landes verwiesen. Insgesamt leben rund zwölf Millionen Roma in den EU-Mitgliedsstaaten. Die Kommission will zudem eine Roma-Arbeitsgruppe ins Leben rufen. Langfristig sollen alle Mitgliedsstaaten dafür sorgen, dass Ausgrenzung, Armut und Arbeitslosigkeit der Roma ein Ende haben.
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