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EU-Richter stoppen 240 Millionen Mark Subvention an VWDie Erpressung geht weiter

Dreieinhalb Milliarden! Stolz nennt der Hersteller von Volkes Wagen immer wieder diese Zahl. Dreieinhalb Milliarden Mark hat der Wolfsburger Konzern seit der Wende investiert; drüben im maroden Sachsen. Das war nicht alles eigenes Geld. Fast anderthalb Subventionsmilliarden lobten Sachsen und der Bund als Lockruf aus. So läuft das heute eben: Wer die besten Konditionen bietet, bekommt dann auch die Jobs. Man hätte das Werk ja auch in der Slowakei bauen können. Der Europäische Gerichtshof hat gestern anders entschieden. Sachsen darf nicht die restlichen, VW versprochenen 240 Millionen Mark an Subvention auszahlen.

Die Richter berücksichtigen sehr wohl, dass Ostdeutschland immer noch ein unterentwickeltes Gebiet mit niedrigem Lebensstandard und außerordentlich hoher, noch zunehmender Arbeitslosigkeit ist. Die Sonderbestimmungen der EU erlaubten aber nicht, wirtschaftlichen Rückstand durch die Politik vollständig auszugleichen, hieß es im Urteil.

Anders gelesen bedeutet dies: Politik darf von der Wirtschaft nicht erpressbar sein. Genau das waren die Sachsen nämlich. Nachdem die Wolfsburger zuerst mit Investitionsstop und dann mit der Slowakei gedroht hatte, zahlte der Freistaat 1996 die fällige Subventionsrate – trotz Verbots durch die EU. Ein wochenlanger Kampf zwischen Sachsens Regierungschef Kurt Biedenkopf und Wettbewerbskommissar Karel van Miert folgte. Biedenkopf blieb damals hart. Gestern unterlag er vor Gericht.

Trotzdem wird das Urteil die Praxis nicht ändern. Die Dresdener opferten gerade ihre Messe, weil sich die VW-Stategen in ein Grundstück im Herzen der Stadt verliebten. Jetzt entsteht im Zentrum von Elbflorenz eine als „gläserne Fabrik“ gepriesene Fertigungshalle – natürlich subventioniert. Als die Dresdner leise ihre Messe zu retten suchten, drohte VW. Diesmal mit Budapest. Auch diese Subventionsmillionen sind nun wackliger denn je. Nicht nur die EU-Kommission sieht Parallelen zum gestrigen Urteil.

Aber hat die Politik überhaupt andere Möglichkeiten, als zu zahlen? Lehrbuchmäßig zeigt VW, wie international agierende Unternehmer Politiker erpressen, indem sie Standorte gegeneinander ausspielen. 20.000 Arbeitsplätze wiegen schließlich mehr als 240 Fördermillionen. Genau das ist aber die Gefahr: Die Konzerne machen sich so ihren eigenen Standort kaputt. Oder kann Deutschland tatsächlich nur mit überdimensionierten Fördermillionen der osteuropäischen Konkurrenz Paroli bieten? Nick Reimer

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