: EU-Kommission will mehr
■ Frankreich hat den KommissarInnen nicht genug Informationen geliefert. Klage gegen die Chirac-Regierung aber verschoben. Liefert Frankreich die Daten nach?
Berlin (dpa/afp/taz) – Frankreichs Präsident Jacques Chirac und die EU-Kommission haben noch einmal fast zwei Wochen Zeit über die Zulässigkeit der französischen Atomtests und die Rechte der EU-Kommission zur Kontrolle dieser Tests nachzudenken. Der Präsident der EU-Kommission, Jacques Santer, setzte Frankreich am Mittwoch abend eine Frist bis zum 23. Oktober. Bis dahin sollte die Chirac-Regierung noch fehlende Informationen insbesondere über den zweiten Atomtest und über die geologische Sicherheit der Atolle von Moruroa und Fangataufa bieten. Französische Zeitungen hatten am Mittwoch Fotos von Rissen auf Moruroa gezeigt. Sollten die Informationen nicht eingehen, müsse die Kommission auf einer Sondersitzung über eine Verletzung des Euratomvertrages durch Frankreich entscheiden, erklärte Santer vor dem Europaparlament. Falls Frankreich der Aufforderung der Kommission nicht nachkommt, droht dem Land wegen Verletzung des Euratomvertrages eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
Die Mehrheit der Kommission sah aber davon ab, Frankreich einen Warnbrief zu schicken, der das offizielle Procedere für die Klageeinreichung begonnen hätte. Nach Artikel 34 des Euratomvertrages muß ein EU-Land bei „besonders gefährlichen Versuchen“ das vorherige Einverständnis der Kommission für derartige Versuche einholen. Bis 1992 hatte die Kommission dies bei 192 französischen Atomversuchen nie angemahnt.
Umweltpolitik verändert, Art des Risikos nicht
Kommissionspräsident Santer sagte, daß die Kommission rechtlich überprüfen müsse „ob es ein Risiko für die Umwelt, für Gesundheit und Sicherheit gibt“.Zum neuen Umgang mit dem Problem erklärte er: „Die Umweltpolitik mag sich verändert haben, die Art des Risikos nicht.“
Der britische Guardian zitiert einen hohen Kommissionsmitarbeiter mit den Worten: „Chirac wird uns die Daten wohl geben. Falls aber nicht, könnte der Fall immer noch vor dem Europäischen Gerichtshof landen.“ Nach seinem Eindruck sei die französische Regierung an einer Einigung ohne Gesichtsverlust interessiert.
Sozialdemokraten und Linke im Europaparlament warfen Jacques Santer mangelnde Entschlossenheit und zögerliches Verhalten vor. „Der Kommissionspräsident zieht sich hinter eine Mauer diplomatischer Formulierungen zurück“, sagte der britische Labour-Abgeordnete Kenneth Collins. Die SPD-Abgeordnete Magdalene Hoff warf Santer vor, auf Zeit zu spielen. „Das Parlament wird prüfen müssen, ob die Kommission wirklich ihre Aufgabe als Hüterin der Verträge erfüllt hat.“ ten
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