EU-Kommissar Barnier zu Bankenrisiken: Private Investoren sollen haften
EU-Kommissar Barnier macht Vorschläge für einen europaweiten Notfallplan gegen Bankenkrisen: Nicht die Steuerzahler, sondern die Investoren sollen Verluste tragen.
2.000 Milliarden Euro - diese kaum vorstellbare Summe haben die Steuerzahler Europas während der Finanzkrise aufgebracht, um kranke Banken vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Das entspricht etwa 13 Prozent der gesamten EU-Wirtschaftsleistung eines Jahres. Damit das nicht noch einmal passiert, stellt EU-Kommissar Michel Barnier nun zur Debatte, die Banken europaweit besser zu beaufsichtigen und die Kapitalgeber am Risiko zu beteiligen.
Barniers Ziel ist es, die Risiken des Finanzsektors so einzuhegen, dass sie nicht mehr die Gesellschaft als Ganzes in Mitleidenschaft ziehen. "Wir müssen ein System schaffen, um Europa darauf vorzubereiten, mit Bankenzusammenbrüchen in geregelter Weise umzugehen - ohne dass nach Steuergeldern gerufen wird", sagte der EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen am späten Donnerstagnachmittag. Das Bundesfinanzministerium begrüßte die Initiative. Der Bundesverband deutscher Banken, der die privaten Institute vertritt, kritisierte, die staatliche Aufsicht dürfe nicht zu früh in die Geschäftsmodelle "gesunder Finanzmarktunternehmen" eingreifen.
Barniers Katalog beinhaltet, dass die nationalen Bankenaufseher die Institute verpflichten dürfen, frühzeitig Notfallpläne für den Krisenfall aufzustellen. Dazu könne es auch gehören, so Barnier, dass Institute ihre Geschäftsmodelle ändern müssen, damit es nicht zu einer Krise kommt. Die staatliche Aufsicht würde dann präventiv bestimmte risikoreiche Geschäfte der Banken einschränken oder untersagen.
Darüber hinaus könnte die Bankenaufsicht im Krisenfall das Management eines Instituts austauschen, die Bank zerlegen und teilweise verstaatlichen. Es wäre auch möglich, Institute ganz oder teilweise abzuwickeln und zu schließen. Um die Verluste zu decken, sollen künftig nicht nur die Aktionäre, sondern auch entferntere Kapitalgeber der Bank haften - etwa Investoren, die Unternehmensanleihen des jeweiligen Instituts gekauft haben. Diese könnten gezwungen werden, auf ihr Kapital zu verzichten.
Nicht alles, was Barnier jetzt zur Diskussion stellt, wird später Teil eines EU-Gesetzes. Der Katalog des Kommissars dient dazu, die Meinungen aus den Mitgliedsstaaten einzuholen. So unterstützt das Bundesfinanzministerium Barniers Linie zwar grundsätzlich, aber nicht in jedem einzelnen Punkt. Beispielsweise sei es eine "offene Frage", ob man die Besitzer von Bankanleihen in die Haftung miteinbeziehen sollte, sagte eine Sprecherin von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Im deutschen Restrukturierungsgesetz, das teilweise bereits ähnliche Bestimmungen enthält wie der EU-Katalog, sind die Anleihebesitzer ausgeklammert.
Auch der Bundesverband deutscher Banken sagt, er teile die Absicht des EU-Kommissars. An einem Punkt stört sich die Bankenlobby allerdings ganz erheblich: Sie befürchtet, dass die staatlichen Aufseher auch schon dann in die Institute eingreifen könnten, wenn eine Krise noch gar nicht absehbar ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr