EU-Grenzpolitik: Deutsche Polizei im Frontex-Einsatz
Die "Agentur zur Sicherung der europäischen Aussengrenzen" Frontex bekämpft Flüchtlinge. Deutsche Beamte sollen an menschenrechtsverletzenden Einsätzen beteiligt sein.
![](https://taz.de/picture/289265/14/frontextcopsdeutsche.20101125-16.jpg)
BERLIN taz | Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Flüchtlingsorgansiation Pro Asyl, und Tom Koenigs, grüner Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte, haben schwere Vorwürfe gegen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erhoben. "Die Bundesregierung leistet Beihilfe zum Bruch der Menschenrechte", sagte Burkhardt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. "Der Bundesinnenminister trägt dafür die politische Verantwortung."
Hintergrund der Vorwürfe ist die Teilnahme von Bundespolizisten an einem Einsatz der EU-Grenzschutzagentur Frontex in der griechisch-türkischen Grenzregion Evros. Griechenland hatte die EU im Oktober um die Entsendung von schnellen Eingreifteams der Frontex gebeten, weil es der großen Anzahl von Flüchtlingen, die über Griechenland in die EU einreisen, nicht gewachsen ist. Seit Anfang November sind auch deutsche Beamte in Evros.
Burkhardt und Koenigs haben in der vergangenen Woche die Region besucht. "Es ist zutiefst empörend, was dort geschieht", sagte Koenigs. Nachdem die Flüchtlinge von der griechischen Polizei oder von Frontex-Beamten aufgegriffen werden, würden sie in Aufnahmelagern inhaftiert. Dies gelte auch für unbegleitete Kinder und Jugendliche. "Die Lebensbedingungen dort sind menschenverachtend", sagte Burkhardt. Die Haftzellen seien überfüllt, Hofgang werde kaum gewährt, eine medizinische Versorgung gebe es nicht. Die Flüchtlinge würden weder über die Gründe ihrer Inhaftierung noch über ein mögliches Asylverfahren informiert. Weil Evros noch immer militärisches Sperrgebiet sei, gebe es auch keine Nichtregierungsorganisationen, die Hilfe leisten könnten.
"Ein moralisches Loch"
Weil Alter und Herkunftsland der Flüchtlinge innerhalb von wenigen Minuten von Frontex-Beamten und griechischen Polizisten erhoben würden, komme es zu "krassen Fehlentscheidungen" (Burkhardt). So habe er im Haftlager Tychero Afghanen getroffen, die als Iraner inhaftiert waren. Ihnen drohe die Abschiebung in die Türkei und von dort die Weiterabschiebung in den Iran, ohne dass ihr Schutzgesuch gehört werde.
Deutsche Polizisten würden in ein "völlig chaotisches System" eingebunden, das zu "eklatanten Menschenrechtsverletzungen" führe, kritisierte Burkhardt. Einer der bundesdeutschen Beamten vor Ort habe gesagt, bei diesem Einsatz falle man "in ein moralisches Loch". Asyl sei für die griechischen Beamten ein Fremdwort. Er habe Skrupel, Aufgegriffene den griechischen Behörden zu überstellen.
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