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EU-GipfelPoker um die Zukunft der EU

Kanzlerin Merkel dämpft die Erwartungen an den EU-Gipfel. Die Zahl der strittigen Punkte wird weniger, diese haben es aber "in sich".

Der EU-Gipfel wird kein Spaziergang, wie es aussieht. Bild: dpa

Spätestens seit gestern ist klar: Es geht in Europa nicht mehr um eine Verfassung, nicht einmal mehr um einen Verfassungsvertrag. Kanzlerin Angela Merkel warb am Donnerstag im Bundestag für eine "Lösung, die Europa insgesamt weiterbringen" könne. Die Rede ist nun nicht mehr von einem Verfassungsvertrag, für den sich die Kanzlerin noch vor einem Jahr glühend einsetzte. Jetzt spricht sie nur noch von einem Änderungs- oder wahlweise Reformvertrag.

Darüber, wie diese Lösung aussehen könnte, gehen die Vorstellungen der Mitgliedstaaten auseinander. Manche Fragen seien geklärt, aber die verbliebenen Konfliktpunkte hätten es "in sich", sagte Merkel. Gestritten wird über das Abstimmungsverfahren im EU-Rat, die Rolle der nationalen Parlamente und die Grundrechtecharta. Merkel warnte vor "schwerwiegenden Folgen für die Zukunft Europas", falls der EU-Gipfel in Brüssel in einer Woche scheitere: "Schönreden hilft uns hier nicht weiter."

Offen ist bislang vor allem, wie ein möglicher Kompromiss mit Polen bei der Frage der Stimmengewichtung im Rat aussehen könnte. Warschau hatte gefordert, ein neues Abstimmungsverfahren einzuführen, das Polen mehr Gewicht geben soll. Die Kaczynski-Regierung kündigte an, notfalls ein Veto gegen das neue Dokument einzulegen. Die von Warschau geforderte neue Stimmenverteilung sei es wert, dafür zu sterben, verkündete Präsident Lech Kaczynski sogar. Nach dem Besuch von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy kommen nun versöhnlichere Töne aus Warschau: Kaczynski erklärte, er wolle sein Land innerhalb der EU nicht isolieren. Außer Tschechien hatte bislang kein Land Unterstützung für den Vorschlag signalisiert.

Ein anderer Streitpunkt scheint hingegen geklärt: Merkel sagte, sie wolle jene Staaten nicht ignorieren, die Bedenken gegen eine übermächtige Union hätten. Hymne oder Flagge werden daher in einem neuen Vertrag nicht mehr vorkommen. "Sie stehen für zu viele unserer Partner für einen europäischen Superstaat", erklärte die Kanzlerin.

Die Opposition appellierte, bei dem Machtpoker die Bürger nicht zu vergessen: Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warb für die Beibehaltung des europäischen Bürgerbegehrens, das die Verfassung vorsah. Ihr Parteifreund Rainder Steenblock ergänzte: "Wie können wir 2009 vor die Bürger treten und sagen: 'Wir verschieben eure Grundrechte in einen Annex'?". FDP-Chef Guido Westerwelle mahnte: "Wenn von Europa nur noch die Erweiterung bleibt, aber nicht die Vertiefung, verliert Europa das Vertrauen der Bürger." Er sprach sich erneut für das Voranschreiten einer Avantgarde von integrationswilligen Staaten aus, falls es nicht gelänge, sich auf einen Vertragstext zu einigen.

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