EU-Gipfel zur Finanzkrise: Drohende Staatspleiten
Auf ihrem Gipfel verabschiedet die EU ein Konjunkturprogramm im Wert von 5 Milliarden Euro, verdoppelt ihre Notkredite für Osteuropa auf 50 Milliarden Euro und fordert mehr Geld für den IWF.
BRÜSSEL taz Wahrscheinlich sind die Konferenzräume einfach zu groß. Vielleicht war auch wieder mal die fehlerhafte Übersetzung schuld. Jedenfalls herrschte am Ende der Frühjahrstagung in Brüssel Verwirrung darüber, was eigentlich bei den Verhandlungen herausgekommen war - beim Thema Steueroasen zum Beispiel. Während Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy behauptete, beim G-20-Treffen in London werde eine Schwarze Liste derjenigen Länder aufgestellt, die Steuersünder nicht melden, widersprach Deutschlands Finanzminister Steinbrück vehement. Das Thema komme erst im Juni bei der nächsten OECD-Konferenz auf die Tagesordnung. Und Kanzlerin Merkel stellte vergnügt fest: "Auch die virtuelle Schwarze Liste hat doch schon Wirkung gezeigt."
Immerhin haben sich die Schweiz, Liechtenstein, Österreich und Luxemburg in der vergangenen Woche bereit erklärt, die OECD-Standards für die Zusammenarbeit in Steuerfragen künftig zu akzeptieren. Kurz vor dem EU-Gipfel machte aber Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker in ungewöhnlich scharfem Ton klar, dass er sich den deutschen und französischen Druck in dieser Sache verbitte. "Ich habe ein längeres Telefongespräch mit Herrn Müntefering geführt und vehement dagegen protestiert, dass er Luxemburg für ein Steuerparadies hält und öffentlich erklärt, früher habe man in Steuerparadiese Soldaten geschickt", sagte Juncker der Tageszeitung Luxemburger Wort. "Gerade aus deutschem Mund klingen diese Äußerungen für Luxemburger nicht zustimmungswürdig."
Auch Münteferings Parteifreund Steinbrück hat mit kriegerischen Vergleichen für diplomatische Verstimmung gesorgt. Beim Londoner G-20-Treffen der Finanzminister am vergangenen Sonntag hatte er die geplante Schwarze Liste mit der "Siebten Kavallerie vor Yuma" vergleichen. "Aber die muss man nicht unbedingt ausreiten lassen. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt."
Etwas friedlicher scheinen sich die Gipfelteilnehmer über andere strittige Punkte verständigt zu haben. Die EU-Kommission bekommt ihr 5-Milliarden-Euro-Programm - aber nur, wenn die Projekte 2009 oder 2010 umgesetzt werden können und damit tatsächlich der Konjunktur zugutekommen. Der Internationale Währungsfonds soll sein Budget auf 500 Milliarden Euro verdoppeln. Die EU-Staaten wollen von den zusätzlichen 250 Milliarden 75 Milliarden übernehmen. Noch vor dem G-20-Gipfel in London werden sie sich darüber einigen, welches EU-Land welche Summe beisteuert.
Auch der Fonds für die vor der Staatspleite stehenden Länder Osteuropas wird ein weiteres Mal auf 50 Milliarden Euro verdoppelt. Die Kanzlerin bezeichnete die Aufstockung als "präventiv". Es sei nur "kohärent", wenn beide Fonds gleichzeitig verdoppelt würden.
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