■ EU-Gipfel in Dublin: Kompromiß beim Stabilitätspakt: Waigels Sprengsatz entschärft
Das Gerüst der Währungsunion steht, der Euro kommt, er hat sogar schon Farbe. Wir sollten uns langsam darauf einstellen. In Dublin wurden nicht nur die neuen Scheine vorgestellt, die Entschlossenheit, mit der sich die französische und die deutsche Regierung beim Stabilitätspakt zusammengerauft haben, läßt kaum noch Zweifel. Bundesfinanzminister Theo Waigel hat zwar nicht alles bekommen, was er wollte. Aber mit dem Ergebnis kann er in Deutschland weiterhin als Hüter des harten Euro auftreten. Was anderes scheint die Mehrheit der Deutschen nicht zu interessieren.
Die Ausnahmeregelungen für ganz harte Zeiten sind so definiert, daß sie vermutlich nie eintreten werden. Einen Wirtschaftsrückgang um 0,75 Prozent hat es in den letzten Jahren in keinem der Länder gegeben, die für die Währungsunion in Frage kommen. Selbst die Ölkrise hat in Frankreich, das besonders betroffen war, nur zu einem Rückgang um 0,7 Prozent geführt. Was viel wichtiger ist: Es gibt keine automatischen Sanktionen. Die hätten den Neoliberalismus als Staatsideologie auf Dauer festgeschrieben. Jetzt gibt es immerhin die theoretische Möglichkeit, daß einige Regierungen irgendwann einmal umdenken. Die simple Weltsicht, daß alles gut wird, wenn nur das Geld hart genug ist, wird sich auch einmal erledigen. Vor allem aber wären automatische Sanktionen zu einer gefährlichen Bruchstelle für Europa geworden.
Man braucht sich nur vorzustellen: Ein Land, das schwere Haushaltsprobleme hat, wird dafür auch noch zu, sagen wir einmal, sieben Milliarden Mark Strafe verknackt. Das ist die Summe, die Waigel im Augenblick zahlen müßte, wenn es den Pakt jetzt schon so gäbe, wie er ihn wollte. Da wäre die Stimmung in diesem Land gar nicht gut. Denn gerade in dieser Situation müßte die Regierung etwas gegen die Arbeitslosigkeit tun, aber ihr fehlen sieben weitere Milliarden im ohnehin überschuldeten Haushalt – ein Sprengsatz für die Europäische Union.
Man muß mit der französischen Regierung nicht immer einverstanden sein, aber beim Widerstand gegen Waigels Stabilitätspakt hat sie Schlimmeres verhindert. Manchmal ist es gut, wenn man Freunde hat, die auch mal nein sagen können. Alois Berger
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