EU-Gerichtshof über Urheberrecht: Internetsperren sind möglich
Netzprovider können verpflichtet werden, den Zugang zu illegalen Filmbörsen zu erschweren. Diese Meinung vertritt der Generalanwalt am EuGH.
FREIBURG taz | Internetprovider können grundsätzlich dazu gezwungen werden, den Zugang zu illegalen Film-Websites wie kino.to zu sperren. Diese Auffassung vertrat am Dienstag der unabhängige Generalanwalt Pedro Cruz Villalon in einem Grundsatzverfahren am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der EuGH folgt in der Regel den Empfehlungen des Generalanwalts.
Die Internetseite kino.to, die von rund 200.000 Menschen täglich genutzt wurde, bot Tausende Filme zum kostenlosen Herunterladen an und verstieß damit massiv gegen die Urheberrechte. Seit Juni 2011 ist die Seite geschlossen, und die Macher der Seite wurden strafrechtlich verurteilt.
Im Mai 2011, als kino.to noch aktiv war, untersagte das Wiener Handelsgericht dem österreichischen Internet-Provider UPC, seinen Kunden weiter den Zugang zu kino.to zu vermitteln. UPC protestierte, man habe mit kino.to gar nichts zu tun. Der Oberste Gerichtshof Österreichs legte dann dem EuGH die Frage vor, ob solche Internetsperren auch bei reinen Zugangsprovidern möglich sind.
Die EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2001 sieht vor: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts genutzt werden.“
Bisher hatte der EuGH nur entschieden, dass gegen Provider vorgegangen werden kann, auf deren Servern die rechtswidrigen Inhalte liegen (sogenannte Host-Provider). Auch gegen Tauschnetzwerke, bei denen die Teilnehmer illegale Inhalte zugleich hoch- und runterladen, kann vorgegangen werden.
Der Generalanwalt sprach sich nun dafür aus, dass grundsätzlich auch Internetfirmen in die Pflicht genommen werden können, deren Kunden nur illegal angebotene Inhalte herunterladen (sogenannte Zugangsprovider). Ohne sie kämen die urheberrechtlich geschützten Filme nicht ans Ziel.
Das Urteil ist in mehreren Monaten zu erwarten
Allerdings lehnte der Generalanwalt unbestimmte Vorgaben ab, wie sie im österreichischen Recht möglich sind. Danach kann von den Providern verlangt werden, den Zugang zu bestimmten Seiten zu verhindern, egal wie sie es anstellen. Hier sei das Gleichgewicht der Interessen nicht gewahrt und deshalb das Unternehmergrundrecht der Provider verletzt. Sperrten sie die Seiten mit wenig effizienten Methoden, könnten sie Ärger mit den Rechte-Inhabern bekommen. Sperren sie brachial und erfassen dabei auch legale Inhalte, sind die Kunden zu Recht empört.
Zulässig können aber gerichtliche Anordnungen sein, bei denen dem Acces-Provider konkret aufgegeben wird, wie er eine Seite à la kino.to sperren soll, zum Beispiel durch eine Manipulation des DNS-Servers, der die IP-Adresse in einen verständlichen Domain-Namen übersetzt.
Die Abwägung der Grundrechte soll dabei, so Generalanwalt Cruz Villalon, den nationalen Gerichten überlassen werden. Eine Websperre sei aber nicht deshalb ungeeignet, weil sie von geübten Nutzern leicht umgangen werden kann, es gebe auch ungeübte Nutzer. Allerdings sollten sich Rechte-Inhaber immer zuerst an die Host-Provider wenden und erst dann an die Access-Provider.
Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet und dann auch für Deutschland relevant sein. „Nach derzeitiger deutscher Rechtsprechung ist die Haftung von Access-Providern ausgeschlossen“, erklärt Oliver Süme vom Provider-Verband eco.
Leser*innenkommentare
Funker
Gast
Dann schaffen wir uns ein neues Internet. Mit WLAN von Haus zu Haus geht das. Beispiele dafür gibt es. Das wird sowieso langsam Zeit.
Ragnar aus Fürth
Gast
Da sieht man mal wieder wie es läuft, honi soit qui mal y pense....
Ich hätte ja nichts dagegen, vorrausgesetzt im Falle fälschlicher Anschuldigungen wird automatisch das komplette Websiteangebot der Contentinhaber für den gleichen Zeitraum gesperrt. (Man sieht ja dassw es in den USA durchaus gang und gäbe ist, alles abzumahnen, und dass sich Vertreter von Plattenfirmen öffentlich äußern, dass das ja nicht so schlimm sei wenn sie jemand falschen sperren würden, es gäbe ja keine Strafe dafür.
Tja, für die Leute die ihre Sachen online stellen ist das ihr Lebenswerk und ihr Broterwerb, also würde ich es nur für gerecht halten, wenn gleiches mit gleichem vergolten wird, und die Abmahnkanzleien nebst Auftraggebern bei sowas wie "räuberrischer Erpressung" (sie stellen auf ihrem Online Portal Sachen zur Verfügung, für die sie nicht die rechte haben. Bitte zahlen sie an uns, oder wir empfehlen unserem Klienten, sie anzuklagen...) oder erwiesenen Falschanzeigen die volle Strafe bekommen, und samt komplettem Angebot vom Netz genommen werden.
Auge um Auge, Zahn um Zahn.
EuR
Gast
Liebes TAZ-Team!
Meiner Meinung nach wäre ein Hinweis darauf angemessen, dass der EuGH dem Schlussantrag des Generalanwalts folgen kann, dies jedoch keinesfalls muss. Gerade durch Überschrift und Untertitel (in dem es "vertritt" und nicht "vertretet" heißen sollte) wird eine rechtsverbindlichkeit suggeriert die es noch nicht gibt. Zwar folgt der EuGH den Anträgen meistens, hat dies aber auch oft nciht getan (e.g. Rechtssache Ackerberg-Fransson).
Gruß