: EU-Finanzminister wollen neu rechnen
■ Die EU-Staaten einigen sich auf neue Kriterien zur Berechnung des Bruttoinlandsprodukts. Der EU-Haushalt steigt daher um zwei Prozent
Brüssel/Berlin (rtr/taz) – Die Finanzminister der Europäischen Union (EU) haben sich gestern in Brüssel auf eine neue Berechnungsweise des Bruttoinlandsprodukts (BIP) geeinigt. Mit dem neuen Konzept, das ab dem Jahr 2000 schrittweise gelten wird, sollen vor allem Finanzdienstleistungen besser berücksichtigt werden. Durch die neue Berechnung könne sich für die gesamte EU ein um zwei Prozent höheres BIP ergeben, sagte ein Vertreter der Niederlande.
Damit werde auch der Haushalt der EU, der auf Grundlage des BIP berechnet wird, um zwei Prozent steigen, obwohl sich bei der realen Wirtschaftsleistung keine Veränderung ergeben habe. Deutschland und die Niederlande hatten sich gegen das neue Konzept und die damit verbundene automatische Erhöhung des EU-Haushalts ausgesprochen.
Auf einige Bereiche sollen sich die aus der Neuberechnung ergebenden BIP-Veränderungen dem Beschluß zufolge bis zum Jahr 2002 nicht auswirken. Dies betrifft vor allem den für die Europäische Währungsunion (EWU) geltenden Stabilitäts- und Wachstumspakt und die Kapitalbeiträge der einzelnen Länder für die Europäische Zentralbank (EZB).
Bislang wurden in das Bruttoinlandsprodukt eines Landes alle in dem Staat produzierten und gehandelten Waren und erbrachten Dienstleistungen eingerechnet. Dabei war es egal, ob die Leistungen von in- oder ausländischen Privatunternehmern oder dem Staat erbracht wurden. Die Berechnung erfolgte nach Kriterien, die 1968 von dem Industrieländerklub OECD, der Weltbank, den Vereinten Nationen und dem Weltwährungsfonds festgelegt wurden.
Inzwischen haben sich allerdings die Zeiten geändert, und die Rechengrundlage ist veraltet. So werden mittlerweile in den Staaten der Europäischen Union – genau wie in anderen Industrieländern – Milliardensummen weder mit Waren noch mit Dienstleistungen erwirtschaftet. Bislang wurden die Gewinne auf den Kapitalmärkten überhaupt nicht berücksichtigt, sondern nur die von Banken oder anderen Finanzdienstleistern erbrachten und als Gewinn versteuerten Tätigkeiten. Auch die Werte von Patenten und Urheberrechten waren bislang nicht in das BIP eingeflossen.
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