EU-Beschluss: Gammelfleisch darf eingefärbt werden
Gammelfleisch kann in Deutschland und den EU-Mitgliedstaaten vom 1. Juli 2008 an eingefärbt werden, hat die EU beschlossen.
Zum Schutz der Verbraucher kann Gammelfleisch ab dem 1. Juli 2008 eingefärbt werden - aber nicht EU-weit, sondern nur innerhalb der Mitgliedsländer. Auf diesen Kompromiss haben sich gestern in Brüssel die EU-Staaten geeinigt.
Deutschland hatte sich dafür eingesetzt, dass auch Fleisch der sogenannten Kategorie 3 europaweit markiert wird, um eine Umwidmung in Lebensmittel künftig auszuschließen. Schon bislang mussten Fleischreste der risikoreicheren Kategorien 1 und 2 gefärbt werden. Die dritte Qualitätskategorie, die seit dem Jahr 2002 in der EU-Verordnung 1442 definiert ist, unterliegt keiner EU-weiten Kennzeichnungspflicht. Bislang durften aber auch die EU-Mitgliedsstaaten das Material nicht einfärben, zumindest dies ist seit gestern möglich.
Nach den BSE-Skandalen Ende der 90er-Jahre hatte die EU weitgehende Richtlinien für Fleisch und deren "Nebenprodukte" erlassen. K1 ist Fleisch, das möglicherweise mit BSE-Prionen infiziert ist oder mit Dioxin verseucht ist. Schon bisher mussten diese Tierreste vernichtet werden. Die EU-Kommission hat gestern zudem beschlossen, dass das Material schwarz eingefärbt werden muss (siehe unten) und in eben solchen Behältern transportiert werden muss. Als K2 werden Fleischprodukte bezeichnet, die für den Menschen ungefährlicher sind, aber möglicherweise Tierseuchen übertragen können. Dazu zählen etwa bestimmte Innereien. Diese Produkte können schon bisher kontrolliert wirtschaftlich verwertet werden, etwa in Biogas-Anlagen. Seit gestern müssen diese Fleischreste verpflichtend gelb eingefärbt werden. Fleisch der Stufe K3 stammt von eigentlich gesunden Tieren und ist meist noch zum Verzehr geeignet. Aber oft ist es überlagert oder ungenügend gekühlt - und deshalb ebenfalls nach EU-Verordnung ein "Nebenprodukt", das nicht mehr in den Lebensmittelhandel gelangen darf. Aus K3-Fleisch wird - ganz legal - Tierfutter oder Fett zur Seifenherstellung.
Identifizieren lässt sich dieses Fleisch oft nur anhand des entsprechenden Lieferscheins oder durch aufwändige Laboruntersuchungen. Und so passiert es immer wieder, dass ein Container mit K3-Fleisch durch einfaches Umetikettieren doch wieder zu Lebensmittelware wird - wie zuletzt geschehen mit Gammelfleisch, das im bayerischen Wertingen illegal umgewidmet wurde und schließlich in Berliner Dönern landete.
Laut EU-Verordnung muss K3-Ware zwar künftig in grünen Behältern transportiert werden und mit grünen Aufklebern ausgestattet werden. Doch ein kriminelles Umetikettieren wird durch solch ein Farbenspiel nicht verhindert, so die Einschätzung der Experten und Veterinäre. Allerdings konnte sich Deutschland nicht durchsetzen mit einer K3-Einfärbepflicht, zu groß ist der Wert dieser Fleischteile. "Wir lehnen - wie eigentlich alle anderen Länder - die deutsche Forderung nach einer Einfärbung von K3-Produkten ab", erklärte der österreichische EU-Parlamentarier Richard Seeber gestern der taz.
Die Güterabwägung zwischen einigen wenigen schwarzen Schafen, die zudem vor allem in Deutschland tätig seien, und dem Wert der K3-Ware für die Tierfutterindustrie falle eindeutig zugunsten der Industrie aus, so Seeber. Auch in der EU-Kommission verwies man gestern auf Nachfrage darauf, dass eine EU-weite Einfärbung von K3-Ware nicht durchsetzbar sei. Die Neuregelung, dass innerstaatlich gehandelte Ware eingefärbt werden darf, sei das weitest mögliche Entgegenkommen.
Auf der heute beginnenden Verbraucherschutzministerkonferenz der Ländern in Baden-Baden wollen Bayern und auch Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer den neuen kleinen Freiraum nutzen und ein nationales Gesetz zum Einfärben von K3-Fleisch auf den Weg bringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken