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ES GIBT VIELE GRÜNDE ZUR SKEPSIS BEIM „THERAPEUTISCHEN KLONEN“Das Lächeln des Klons

Es ist banal: Unser Leben ist begrenzt, unsere Gesundheit auch. Mit diesen Prinzipien unserer Existenz beschäftigen sich die Menschen von jeher in Religion, Kunst und Philosophie. Im Rausch der Machbarkeit, in dem sich die medizinische Forschung derzeit befindet, wird die Begrenztheit des Menschen jedoch immer öfter vergessen. Grenzen werden immer weiter hinausgeschoben, manchmal gar ignoriert. Inzwischen ist der Tod zum größten Tabu der Medizin geworden. Dabei gehören Leiden und Tod genauso zum Leben wie Gesundheit und der Wunsch, Leiden zu lindern.

Die Empfehlung britischer Experten, das „therapeutische Klonen“ beim Menschen zuzulassen, ist das jüngste Beispiel für einen Schritt auf dem Weg zu ewiger Gesundheit. Die Aussicht auf Heilerfolge bei Patienten mit Alzheimer, Diabetes oder Krebs beflügelt die Fantasie von Experten wie Laien gleichermaßen. Gleichzeitig schürt das Wissen um den „Verbrauch“ von Embryonen die Ängste bei Gegnern der Methode.

Sie werden die neue Technik jedoch nicht aufhalten können. Denn die Strategie, mit der umstrittene Techniken konsensfähig werden, ist erprobt: Eine Maßnahme wird als Ultima Ratio für Schwerkranke in die Diskussion gebracht. Ist die neue Therapie bei diesen halbwegs erfolgreich, wird die Tür für den nächsten Schritt aufgestoßen: die Anwendung bei weniger Kranken oder Gesunden. Genau diesen ethischen Dammbruch befürchten die Gegner des therapeutischen Klonens: Heute sind es nur die Organe und Gewebe, die reproduziert werden, morgen ist es vielleicht schon der ganze Mensch. Sobald eine Technik existiert, ist es schwer, ihre Anwendung zu verhindern.

Zwar wurde noch kein Mensch durch therapeutisches Klonen geheilt. Viele Organe sind zu komplex, um in ihrer dreidimensionalen Struktur, ihrer Blut- und Nervenversorgung nachgeahmt werden zu können. Dies wird noch Jahrzehnte dauern. Doch das Potenzial der embryonalen Stammzellen zweifelt niemand an. Was sind schon ein paar Jahre, wenn die Utopie eines leidensfreien Lebens am Horizont aufscheint?

Und dennoch: Das Unbehagen bleibt. Mehr noch als die technischen Schwierigkeiten beim therapeutischen Klonen irritieren uns andere Fragwürdigkeiten. Soll jedes Gewebe, jedes Organ geklont werden dürfen? Manche Politiker befürworten das Klonen von Organen – außer Gehirn und Keimbahn. Diese Einschränkung ist ein Indikator für unsere kulturellen Selbstverständlichkeiten: Das Gehirn wird als Sitz von Charakter und Identität angesehen. Die Keimbahn gibt unsere Anlagen an die nächste Generation weiter. Der Hirnforscher Detlef Linke fragte bereits vor Jahren: Wenn ein Parkinsonkranker mit Ersatzgewebe behandelt wurde, wer lächelt mich dann an? Der Kranke oder sein Zellspender? Und wer, wenn das Gewebe aus den eigenen Zellen gewonnen wurde?

Unbehagen bereitet auch die Interessenkollision durch das therapeutische Klonen: Es geht einerseits um die legitimen Hoffnungen und Wünsche lebender Kranker, die gegen den Wert potenziellen neuen Lebens abzuwägen sind. Die alte Frage, wann Leben beginnt und ab wann Leben schützenswert ist, wird in der Klondebatte erneut aufgeworfen. Und es geht um die Frage, welchen Wert die Verlängerung des Lebens wirklich hat. Auf die seit 1956 vom Institut für Demoskopie in Allensbach gestellte Frage: „Wenn die Wissenschaft es möglich machen würde, dass man 150 Jahre alt werden kann und auch so lange im Besitz seiner Kräfte bleibt: Würden Sie gerne so lange leben oder nicht?“, antworten immer weniger Deutsche mit dem Wunsch nach einem biblischen Alter. „Ja“ sagten 1956 noch 55 Prozent der Befragten, vergangenes Jahr waren es nur noch etwas mehr als 30 Prozent.

Die Politik muss jetzt entscheiden, welchen Argumenten sie mehr Gewicht beimisst. Den therapeutischen Aussichten oder den kulturell geprägten Warnungen. Die britische Regierung hat sich bereits entschieden, die Ratifizierung im Parlament scheint nur noch Formsache zu sein. In Deutschland deutet vieles auf einen lauen Kompromiss hin: Die Arbeit mit den Ergebnissen und Produkten embryonaler Stammzellforschung aus anderen Ländern wird erlaubt. Ihre Gewinnung und das therapeutische Klonen selbst werden verboten bleiben. WERNER BARTENS

Autor des Buchs „Die Tyrannei der Gene“ (Blessing)

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