ES GIBT KEINE NEUEN LÜCKEN BEI DER „INNEREN SICHERHEIT“: Mehr Geld für kein Ziel
Die Terroranschläge in den USA haben keine Lücken in der „Inneren Sicherheit“ Deutschlands offenbart. Wer dies behauptet, ist bisher jeden Beweis schuldig geblieben. Niemand weiß, wie verhindert werden kann, dass unauffällige muslimische Studenten sich einem terroristischen Kommando anschließen, Pilotenscheine machen und Flugzeuge als tödliche Waffe benutzen. Nicht einmal die USA, die das Netzwerk Ussama Bin Ladens seit fast einem Jahrzehnt mit Nachdruck beobachten, konnten dies verhindern. Es ist sinnlos, unauffällige Studenten zu überwachen. Es wäre extrem kontraproduktiv, Maßnahmen gegen alle Muslime zu treffen. Und es wäre schlichtweg lächerlich, Araber von Flugschulen auszuschließen.
Dennoch werden nun Vorschläge zur „Stärkung der Inneren Sicherheit“ diskutiert, die die CDU schon lange favorisiert: Kronzeugenregelung, Verfassungschutzanfrage vor der Einbürgerung und Ähnliches. Wenn die Union jetzt großsprecherisch die sofortige Umsetzung fordert, geht es ihr vor allem darum, von der Bundesregierung ein Eingeständnis von Versäumnissen zu erzielen.
Denn in der Sache überzeugen die Unions-Vorschläge nicht. Selbstmordattentäter und ihre Hintermänner wird man wohl kaum als Kronzeugen gewinnen können, Strafnachlass für nachrangige Unterstützer ist auch heute schon möglich. Und die Regelanfrage beim Verfassungsschutz wird zwar manche Einbürgerung, aber wohl kaum ein Attentat verhindern.
Allerdings haben sich gestern im Bundestag alle Parteien zu Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und Besonnenheit bekannt. Immerhin. Denn in einem nervösen innenpolitischen Klima ist der jetzt dringend erforderliche Dialog der Kulturen nur schwer zu führen.
Und es war durchaus ein kluger Schachzug der Bundesregierung, die Mittel für Antiterror-Maßnahmen global zu erhöhen, dabei aber offenzulassen, wohin das Geld konkret hinfließt. So könnte sich auch noch die Erkenntnis durchsetzen, dass Mittel für konstruktive Krisenprävention, insbesondere im Nahen Osten, für die Sicherheit in Deutschland besser angelegt sind als eine Aufblähung der Sicherheitsbehörden. CHRISTIAN RATH
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