■ ERSATZLÖSUNG MORDANKLAGE IM PROZESS GEGEN ERICH MIELKE: Nazi-Anklage gegen Stasi-Chef Mielke
Berlin (taz) — Wenn heute in Berlin-Moabit der Prozeß gegen den greisen Ex-Chef der DDR- Staatssicherheit, Erich Mielke, eröffnet wird, beruft sich die Staatsanwaltschaft auf einen Tatbestand, der über 60 Jahre zurückliegt: Erich Mielke wird angeklagt, im Jahre 1931 auf dem Berliner Bülowplatz die beiden Polizeioffiziere Paul Anlauf und Franz Lenck erschossen zu haben. Weil Mielke nach rechtsstaatlichen Grundsätzen wegen seiner Rolle als Stasi- Chef in der DDR nur schwer zur Rechenschaft gezogen werden kann, setzt die Justiz auf die Anklage aus dem Jahre 1934. Damals wurde der linksradikale Arbeiter Mielke von den Nazi- Richtern des Polizistenmordes für schuldig befunden — in Abwesenheit allerdings, denn zu dem Zeitpunkt war er schon nach Moskau geflüchtet.
Was den Nazis damals recht war, scheint der Berliner Justiz anno 1992 billig: Die Anklageschrift, die von der Moabiter Staatsanwaltschaft unhinterfragt übernommen wurde und auf die sich die Anklage heute stützt, ist 1934 aufgrund von Zeugenaussagen erstellt worden, die fast durchgängig durch Erpressung und Folter erzielt wurden. „Unter tätiger Mithilfe der SA“ gelang es den damaligen Justizbehörden, „Geständnisse“ abzunötigen. Für die heute beginnende Fortsetzung des „Bülowplatz-Prozesses“ verlassen sich die Justizbehörden des deutschen Rechtsstaates folglich auf Erkenntnisse der „pervertierten Nazi-Justiz“. SEITEN 3 UND 12
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