ENTSCHEIDEND IST DIE POLITISCHE FUNKTION DER RÜRUP-KOMMISSION: Scheinbare Objektivität
Es war schon amüsant, wie sich die Rürup-Kommisson gestern vor den Kameras präsentierte. Irgendwann mal fragte das Kommissionsmitglied Jürgen Husmann skeptisch in die Runde, ob man eigentlich verbindliche Ergebnisse von dem Gremium erwarten könne. Diese Frage stellt sich auch das Publikum: Wird die Kommission in einem Jahr wirksame Empfehlungen vorlegen, nach denen die Sozialsysteme stabilisiert werden? Oder tagt hier nur eine Runde der Wichtigtuer?
Inwieweit die Kommission relevante Ergebnisse hervorbringt, ist eine Frage des äußeren Drucks. Der Zwang ist zwar da, einen Anstieg der Beiträge in der Renten- und Krankenversicherung zu verhindern. Aber der Druck wird nicht so groß sein, dass ab Herbst 2003 der Sozialstaat radikal umgekrempelt wird. Ergebnis der Rürup-Kommission wird keine große Reform sein, aber das Gremium wird die Gewichtungen in der Sozialstaatsdiskussion verschieben. Und das ist das Entscheidende. Schon jetzt lässt sich aus den Äußerungen der Mitglieder schließen, was an kleinen Schritten kommen wird. Da fordert beispielsweise ein Experte einen höheren Eigenanteil der Versicherten in den Krankenkassen. Der Kommissionsvorsitzende Bert Rürup schlägt vor, das Rentenzugangsalter heraufzusetzen. In der Praxis bedeutet das eine Kürzung der Renten und damit den Zwang zu mehr privater Vorsorge. Eigenverantwortung wird also künftig eine größere Rolle spielen – in diese Richtung werden die Gewichte verschoben. Daran ändern auch die erwartbaren Stimmen der Gewerkschaften wenig, die sich gegen diesen Trend wehren werden.
Gut möglich also, dass die unausgesprochene Aufgabe der Rürup-Kommission am Ende vor allem darin besteht, politischen Veränderungen, die mehr Verzicht und mehr Ungleichheit bedeuten, eine scheinbare Objektivität zu verleihen. Die Politik kann dann sagen: Seht her, die Kommission hat das doch vorgeschlagen! Genau deshalb ist die politische Funktion dieses Gremiums mindestens genauso wichtig wie die Ergebnisse, zu denen sie kommt. BARBARA DRIBBUSCH
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