EMtaz: Ibrahimovic, der Bosnier: Der größte Mahalaš aller Zeiten
Ibra schießt seine Tore zwar für Schweden. Er ist aber auch Bosnier und spielt vor allem wie einer. Präsident könnte er natürlich auch.
Mahalaš nennt man in Sarajevo den rotzfrechen Straßenkicker, der aus unmöglichen Winkeln Tore schießt, die Mitspieler ignoriert, der lieber antäuscht, als einen Pass zu spielen, lieber tunnelt, als am Spieler vorbeizuspielen, und spektakuläre Stunts wagt. Einen echten Mahalaš kennzeichnet allerdings nicht, dass er Tore schießt und Spiele gewinnt, sondern dass er so spielt, dass die ganze Nachbarschaft, die Mahala, drüber redet.
Zlatan Ibrahimović ist nicht in Sarajevo aufgewachsen. Und er hat dort auch nicht Fußballspielen gelernt. Aber er spielt wie der tollste Mahalaš von Sarajevo. Der amerikanisch-bosnische Autor Aleksandar Hemon, der in Sarajevo aufwuchs und ein großer Fußballfan ist, glaubt sogar, dass Zlatan Ibrahimović der größte Mahalaš aller Zeiten sein könnte.
Ibrahimović ist in Bosnien mindestens so beliebt wie auf der ganzen Welt. Eher mehr. Der geschundenen Bevölkerung des Staates, der eher eine Schwundstufe von Staat ist, ist jeder Bosnier, der gute Laune verbreitet und in der Welt für Schlagzeilen sorgt, die nicht mit Mord und Totschlag zu tun haben, ein Held, ein Erlöser, eine Himmelsgestalt.
Als Sohn eines bosnischen Muslims und einer katholischen Kroatin ist Ibrahimović der Vorzeigebosnier schlechthin. Bosnien galt unter Staatsführer Tito als „Jugoslawien in Jugoslawien“. Mischehen zwischen Kroaten, Serben, Bosniern und den restlichen Bewohnern der Föderation waren normal.
Zlatans Ruf als Erlöser Bosniens stieg ins Unermessliche, als der leukämiekranke 8-jährige Junge Hajrudin Kamenjas vor seinem Tod nur noch einen Wunsch äußerte: Er wollte Zlatan treffen. Der schickte dem Jungen ein Videogruß und signierte Trikots. Zu dem Treffen kam es nicht mehr, da der Junge wenig später verstarb. Der verrückteste Fußballer der Welt gilt vielen Bosniern aber nicht nur als Jesus, sondern auch als bester vorstellbarer Staatspräsident. Kann er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?