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EMtaz: Eine Eloge an Gianluigi BuffonDer Ballbesprecher

Kommentar von Eren Caylan

Italiens Torwart ist der beste Vertreter seines Fachs und die Inkarnation modernen Fußballs zwischen den Pfosten. Das bleibt er.

Der alte Mann und das Tor Foto: ap

E s laufen die letzten Minuten. Italien führt gegen Belgien 1:0. Die belgischen Spieler versuchen, den Ausgleich zu erzwingen. Es ist das erste Spiel der Gruppe E bei der EM. Vor dem Tor steht er, schimpft mit den italienischen Spielern. Wie ein Kommandant führt er seine Mannschaft zum Sieg. Und dann, dann spricht er mit dem Ball. Was er sagt, weiß nur er selbst. Er ist der einzige Spieler, den ich in der italienischen Mannschaft kenne, ich kenne ihn sogar schon seit 22 Jahren: Gianluigi Buffon.

Buffon war immer ein bisschen anders als die anderen Profis: verrückter, brennender und sehr idiosynkratisch. Er hat einen Liebesbrief an das Fußballtor verfasst, darin schreibt der 38-Jährige: „Ich habe mir selbst versprochen, alles zu tun, um deinen Blick nicht mehr zu kreuzen. Jedes Mal ist es eine Qual, mich umdrehen zu müssen, um festzustellen, dass ich dich enttäuscht habe.“

Gianluigi Buffon ist der Spieler, von dem jeder Fan träumt. Er ist der, der immer noch seine Liebe und seine Gefühle für das Spiel auslebt.

Fachlich betrachtet gehört er zu den besten Torhütern der Fußballgeschichte. Seine Kar­rie­re in der Serie A in Parma begann 1995, da war er 17 Jahre alt. Die Erfolge kamen schnell. Mit Parma gewann er 1999 den Uefa-Pokal. Seit 2001 spielt er bei Juventus Turin, gewechselt für 54,1 Millionen Euro, das ist 15 Jahre her und dennoch der bis heute teuerste Torwarttransfer in der Fußballgeschichte.

Der Vater: Gewichtheber

Buffon, den viele nur Gigi rufen, stammt aus einer sportlichen Familie. Seine Mutter war italienische Meisterin in Diskuswerfen, sein Vater Gewichtheber und seine zwei Schwestern spielten Volleyball. Lorenzo Buffon, der Cousin seines Großvaters, war Torwart des AC Milan und der Nationalelf. Gigi wurde 2006 Weltmeister, stand 2012 im Finale. Mit Juventus Turin gewann er sieben italienische Meisterschaften. 2014 spielte er im Champions-League-Finale. Viermal wurde er zum Welttorhüter gekürt.

Kurz gesagt: Gianluigi Buffon steht für den Beginn modernen Fußballs im Tor, er ist der Archetyp dessen, was Manuel Neuer heute ausmacht.

Und noch etwas macht Buffon zu einer besonderen Persönlichkeit in der Fußballkultur: seine Loyalität. Als Juventus 2007 wegen eines Manipula­tions­skandals zwangsabsteigen musste, blieb Buffon zusammen mit wenigen anderen Stars wie Alessandro Del Piero und Pavel Nedved in Turin – und ihnen gelang der sofortige Wiederaufstieg.

Seine ungebremste Fähigkeit, sich zu begeistern, seinen Appetit aufs Siegen konnte man im ersten EM-Spiel der Italiener besichtigen: Als Graziano Pellè in letzter Minute zum 2:0 für Italien traf, sprintete der 38-Jährige über das ganze Feld und jubelte, als ob er gerade Europameister geworden wäre. Und nach dem Abpfiff sprintete er gerade wieder über das Feld, sprang im gegnerischen Tor hoch, rutschte mit den Händen von der Latte ab.

Gigi, der Letzte

Das Video ging viral, viele haben sich über Gigi lustig gemacht, aber ich war begeistert. Das war ein klares Zeichen für den brennenden Willen des Gian­luigi Buffon.

Buffon hat angekündigt, dass er noch an der WM 2018 in Russland teilnehmen will. Vorbild ist Dino Zoff, der legendäre Torhüter, der noch mit 40 Jahren Weltmeister wurde. In der Serie A gelang Buffon in der vergangenen Saison noch ein Rekord: 973 Minuten spielte er ohne Gegentor; erst ein Elfmeter machte die Serie kaputt. Mag sein, dass Buffon nicht mehr die Reflexe von früher hat, aber kein Trainer dieser Erde würde ihn nicht in seiner Mannschaft haben wollen.

Ein wichtiges Zeichen, an dem ein Fan bemerkt, dass er selbst alt wird, ist der Rücktritt seiner Fußballhelden: Alessandro Del Piero, Zinédine Zidane, Ryan Giggs spielen nicht mehr. Nur Buffon hört nicht auf.

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