Saublöd, was der Hummelsmats da wieder angerichtet hat. Anstatt sich gegen harmlose Slowaken halt mal einem Zweikampf zu entziehen, holt er sich eine gelbe Karte ab. Kleiner Trost: Er ist nicht der einzige, der schon eine Verwarnung erhielt. 44 weitere Spieler müssten bei der nächsten Gelben ebenfalls ein Spiel aussetzen. Das kann weh tun, wie zwei ehemalige DFB-Kicker wissen.
Keine allzu guten Erinnerungen dürfte etwa Andreas Möller an Sandor Puhl haben. Herr Puhl ist jener Schiedsrichter, der 1996 das EM-Halbfinale zwischen England und Deutschland (1:1, 5:6 im Elfmeterschießen) leitete. Möller wiederum erlebte diesen Länderspielklassiker als Kapitän der DFB-Elf. Die Binde war Ausdruck seiner starken Leistungen, das Finale hätte sein Karrierehöhepunkt werden sollen.
Schon im Halbfinale hatte Möller gezeigt, dass er unbedingt als Fußballheld in die Geschichtsbücher einziehen wollte. Im Elfmeterschießen, es stand 5:5, trat der Mittelfeldspieler zum entscheidenden Versuch gegen Englands Keeper David Seaman an. Ein paar wenige kurze Trippelschritte, ein knallharter Schuss. Der Ball landete in der Tormitte – und Möller baute sich danach vor den englischen Fans auf. Die Brust rausgestreckt, die Arme stemmte er in die Hüfte. Seht her ihr Bauern, ich bin euer König. Das war die Botschaft, und der König hätte sie dem Volk im Finale gerne ein weiteres Mal übermittelt.
Dumm war nur, dass Sandor Puhl dem Kicker während der regulären Spielzeit die gelbe Karte gezeigt hatte. Möllers dritte im Turnier, für das Endspiel war er somit gesperrt.
Ballack schoss 2002 das entscheidende Tor im Halbfinale. Das Finale aber verpasste er
Sechs Jahre später – man schaute die WM in Japan und Südkorea – wurschtelten sich die Deutschen wieder ins Endspiel. Hauptsächlich dank Torwart Oliver Kahn und Mittelfeldmann Michael Ballack, die einer durchschnittlichen Elf das kleine bisschen Klasse verliehen, um die K.o.-Spiele gegen Paraguay, die USA und Südkorea jeweils mit 1:0 zu gewinnen. Ballack schoss das entscheidende Tor im Halbfinale. Das Finale aber verpasste er; Schiri Urs Meier hatte Ballack gelbsanktioniert, wieder war's das verfluchte dritte Mal. Die Nation stöhnte.
Gelbsperrenregelung modifiziert
Dieses Mal wird kein Spieler wegen der zweiten gelben Karte das Finale verpassen. Die Regelhüter haben die zur WM 1986 in Mexiko eingeführte Gelbsperrenregelung modifiziert. Nun werden nach dem Viertelfinale alle Karten gelöscht; dafür führt bereits die zweite gelbe Karte im Turnier zu einem Spiel Sperre. Konkret bedeutet dies: Gleich 45 Spieler haben Schiss, ein mögliches Halbfinale zu verpassen. Nur der Italiener Thiago Motto ist fein raus: Er fehlt bereits gegen Deutschland gelbgesperrt.
Elf weitere Italiener, darunter die komplette Defensivachse mit Keeper Buffon, Chiellini, Bonucci und Barzagli, sind vorbelastet. Bei den Deutschen müssen Boateng, Hummels, Khedira, Kimmich und Özil etwas vorsichtiger in die Zweikämpfe gehen.
EMtaz: Und raus bist du!
Die Ästhetik des Scheiterns: Antoine Griezmann nach dem Finale. Was für ein grandioses Turnier für Frankreich.
Foto:
dpa
Raus im Halbfinale. Der Weltmeister auf dem Niveau von Wales. Aber: Vorher gegen Italien gewonnen, starkes Achtelfinale gegen die Slowakei. Gruppenphase ganz okay. Gutes Turnier, trotz alledem.
Foto:
dpa
Wir zitieren an dieser Stelle aus Gründen einfach mal den Fan-Chant der Waliser: "Don't take me home, please don't take me home. I just don't wanna go to work, I wanna stay here and drink all ya beer! Please don't, please don't take me home!" Schön, dass ihr da wart und so lange geblieben seid. Danke.
Foto:
dpa
Raus mit ganz viel Applaus und einem letzten UH! Kolbeinn Sigthorsson und Island sind nach Wales das größte Überraschungsteam dieser Euro. Nach dem 2:5 im Viertelfinale gegen Gastgeber Frankreich geht's zurück auf die Insel.
Foto:
dpa
Flogen nach endlosem Elfmeterschießen gegen Deutschland im Viertelfinale raus: die Italiener. Als Gianluigi Buffons Tränen nach dem verwandelten Elfer von Jonas Hector auf der Videowand im Stadion gezeigt wurden, gab es Szenenapplaus. Schnüff.
Foto:
ap
Im Viertelfinale gegen Wales traf Belgiens Radja Nainggolan zum 0:1. Reicht sicher, dachten sich die Belgier daraufhin und hauten die Handbremse rein. Das ging gehörig schief, Wales' Kicker Williams, Robson-Kanu und Vokes drehten den Spieß um, 3:1 für die Dragons! Nainggolan und Co. packten die Koffer.
Foto:
dpa
Endstation im Elfmeterschießen: Was bei den Polen im Achtelfinale noch gut klappte, wurde ihnen im Viertelfinale zum Verhängnis. Mit 3:5 unterlag die Mannschaft von Trainer Adam Nawalka Portugal. Die Tore in der regulären Spielzeit hatten Lewandowski und Sanches erzielt. Vom Punkt verfehlte nur Jakub Blaszczykowski (2. v.r.).
Foto:
ap
Hat Spaniens Trainer Vicente del Bosque den Achtelfinalgegner Italien unterschätzt? Mit 0:2 schied Spanien aus, wenig souverän wirkte der Titelverteidiger dabei. Sechs Punkte in Gruppe D, die Schwächen des Teams waren schon bei der Gruppenniederlage gegen Kroatien sichtbar.
Foto:
dpa
Wieder nur das Achtelfinale erreicht: Mit 1:2 nach 1:0-Führung schied England aus – gegen Island. Vor dem Turnier hochgelobt, erwies sich England in der Vorrunde in Gruppe B als spielstarkes Team, das aber aus vielen Torchancen zu wenig zu machen wusste.
Foto:
reuters
Applaus trotz Aus: Ungarn hatte beim 0:4 im Achtelfinale gegen Belgien keine Chance. Trotzdem war das Turnier für die Mannschaft ein großer Erfolg. In ihrer Gruppe ließen sie Portugal, Österreich und Island hinter sich. Besonders beim 3:3 gegen Portugal hat das Team um Coach Bernd Storck alle Fans mitgerissen.
Foto:
ap
Mit Kind und Kegel heim fuhr die Slowakei nach dem 0:3 im Achtelfinale gegen Deutschland. Die Löw-Elf hatte das Team um Marek Hamsik im Griff, da half auch der furchteinflößende Blick von Kapitän Martin Skrtel nix. Zuvor ein starker Auftritt in Gruppe B, Sieg gegen Russland, vier Punkte, Platz 3.
Foto:
reuters
Bittere Tränen weinte Irlands Torwartkoloss Darren Randolph nach dem verlorenen Achtelfinale gegen Frankreich. Dabei hat sich sein Team nix vorzuwerfen: Kämpferisch in allen Spielen top, fehlte dem Tabellendritten der Gruppe E letztlich einfach die spielerische Qualität. Die lautstarken und fairen irischen Fans werden dem Turnier fehlen.
Foto:
dpa
Unsanft gelandet ist Kroatien im Achtelfinale gegen Portugal. Gegen Spanien überzeugten die Kroaten noch spielerisch, galten als Erster der Gruppe D als Titel-Mitfavorit und dann das: Gegen die Defensivtaktik von Fernando Santos fanden sie kein Mittel, der Trainer stellte sein Team falsch auf, ein und um. Kroatien blieb ein Versprechen.
Foto:
ap
Schluss im Achtelfinale war auch für Nordirland. Dabei zeigte der Underdog im Inselduell gegen Wales, dass er auch offensiv spielen kann – nur ein Eigentor verhinderte ein noch größeres Wunder. Größtes Verdienst: die inoffizielle EM-Hymne "Will Grigg's on fire". In Gruppe C mit 2:2 Toren und drei Punkten als Tabellendritter weitergekommen.
Foto:
reuters
Upsi – das Achtelfinal-Aus der Schweiz war ein Unglückliches. Granit Xhaka verschoss seinen Elfmeter gegen Polen. Dabei war das Spiel gegen Polen das ansehnlichste Schweiz-Spiel. Shakiris Fallrückzieher aus 16 Metern ist das bislang schönste Tor des Turniers. Zuvor 2:1 Tore, fünf Punkte, Zweiter in Gruppe A.
Foto:
reuters
Aus dem Fernsehen erfahren, dass man raus ist: Albanien. Gruppe A, 1:3 Tore, drei Punkte. Der Eindruck täuscht ein wenig. Für Albanien war bereits die Qualifikation ein Erfolg, der Sieg gegen Rumänien die Kirsche auf der Torte. Ganz fürs Achtelfinale gereicht hat es nicht. Dafür hätte etwas mehr kommen müssen als ein Tor.
Foto:
ap
Türkei, Gruppe D: 2:4 Tore, drei Punkte. Wie Albanien schaffte es auch die Türkei nicht unter die vier besten Gruppendritten. Trainer Fatih Terim war frustriert. Dabei hat er seine Spieler häufig auf den falschen Positionen aufgestellt. Nur gegen Tschechien konnte die Türkei durchgehend überzeugen. Zu wenig.
Foto:
dpa
Österreich, Gruppe F: 1:4 Tore, ein Punkt. Die erweiterte Bundesligaauswahl versteckte sich besonders im Angriff zu oft. Torwart Robert Almer war der Held gegen Portugal, Tore schießen konnte er allerdings auch nicht. Österreich blieb eine einzige Enttäuschung.
Foto:
dpa
Schweden, Gruppe E: 1:3 Tore, ein Punkt. Die Nationalmannschaftskarriere des großen Zlatan Ibrahimovic hat kein Happy End. Zu häufig war er in der Offensive auf sich allein gestellt. Sinnbildlich: Das einzige schwedische Tor war ein Eigentor der Iren. Vorlagengeber: Ibrahimovic, natürlich. Mach's gut, Zlatan.
Foto:
ap
Tschechien, Gruppe D: 2:5 Tore, ein Punkt. Definitiv zu wenig. Große Comeback-Qualitäten nach einem 0.2-Rückstand gegen Kroatien. Das war's dann aber auch.
Foto:
ap
Gruppe C, Ukraine: 0:5 Tore, null Punkte. Spielerisch besser, aber vom Ergebnis her schlechter als Russland. Au weia.
Foto:
dpa
Schnell raus waren die Russen in Gruppe B: Zwei Tore geschossen, aber sechs kassiert, nur ein Punkt in der Vorrunde. Fünf gute Minuten gegen England, darauf lässt sich für die WM 2018 in Russland aufbauen.
Foto:
ap
Waren als Erste weg, die Rumänen. Kein schlechtes Eröffnungsspiel gegen Frankreich, aber dann: Nur ein Tor geschossen, einen Punkt geholt (gegen die Schweiz) und im entscheidenden Spiel um Platz 3 in der Gruppe A gegen Albanien verloren.
Foto:
reuters
Die tapferen Isländer bringen es auf 9 Akteure; Polen (6), Belgien (5), Wales (4), Portugal (3) und Frankreich (2) haben ebenfalls potenzielle Gelbsünder in ihren Reihen.
Für das Halbfinale zwischen Island und Italien ist somit ein schlimmer Kick zu befürchten, falls es gleich 20 Kicker in den Viertelfinalabwehrschlachten fürchterlich übertreiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei!
Jetzt unterstützen
Falls Deutschland das Viertelfinale meistert, drohen im Halbfinale gleich fünf Spieler auszufallen. Bei Island und Italien sind es sogar 20." - Soweit ich weiß, ist das Unsinn, weshalb ich mal im Internet gesucht habe: "Zahlreiche Spieler gehen gelb-vorbelastet ins EM-Achtelfinale und würden sich im Falle einer weiteren Verwarnung eine Sperre für das Viertelfinale einhandeln. Erst nach dem Viertelfinale werden Gelbe Karten gelöscht, im Halbfinale sind die Spieler also nicht mehr belastet." (http://www.rp-online.de/sport/fussball/em/dfb/em-2016-die-gelb-vorbelasteten-spieler-iid-1.6073138)
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken