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E. H. ist tot, es lebe Havemann

■ Zwei Tage nach Honeckers Tod wurde das Robert-Havemann-Archiv eröffnet / Dokumentation der Geschichte der DDR-Opposition / Sachliche Aufarbeitung

Dort wo sie einst begonnen haben, sind sie auch wieder gelandet: In einem Hinterhof im Prenzlauer Berg haben die ehemaligen DDR- Oppositionellen gestern ihr Archiv eröffnet. Ein muffiges Treppenhaus führt zur einer weißgestrichenen Eisentür in die zweite Etage hinauf. Hier hat das Robert-Havemann-Archiv in vier kleinen Räumen endlich seinen Platz gefunden.

Die Freude darüber war den etwa zwölf BerlinerInnen, die sich zwei Jahre lang mit dem Aufbau dieser Dokumentationsstelle plagten, bei der Eröffnung anzusehen. Immerhin haben sie hier in akribischer Kleinarbeit ein einzigartiges Archiv zusammengetragen, das den gesamten Nachlaß von Robert Havemann und unzählige Dokumente der Entwicklung der DDR- Opposition von ihren kleinen, versprengten Anfängen bis zur breiten Massenbewegung vor fünf Jahren dokumentiert.

Auf fast hundert Videofilmen sind die Sitzungen des Zentralen Runden Tisches und die Gründung des Neuen Forums festgehalten. Ein umfangreiches Fotoarchiv ergänzt die Sammlung. Als „merkwürdige Konstellation“ empfindet Siegfried Zoels, Vorstandsmitglied der Robert-Havemann-Gesellschaft, die die Trägerschaft des Archives übernahm, nur den gewählten Zeitpunkt der Eröffnung: „Zwei Tage nach dem Tod Erich Honeckers — immerhin verband ihn mit Robert Havemann der Widerstand gegen die Nazi-Diktatur. Beide saßen jahrelang im Zuchthaus Brandenburg.“ In ihrer weiteren Entwicklung haben sich die zwei „großen“ Männer des Arbeiter-und-Bauern-Staates dann doch höchst unterschiedlich um dessen Untergang verdient gemacht.

Robert Havemann avancierte in den späten sechziger Jahren von einem, wie er sich selbst bezeichnete, „überzeugten Stalinisten“ zur Symbolfigur des Widerstandes gegen das SED-Regime. „Der Name Robert Havemann ist für uns nach wie vor Programm, steht er doch für beispielhaften Widerstand und Zivilcourage in Diktaturen“, sagte Klaus Wolfram vom Vorstand der Gesellschaft.

1.400 Dokumente aus dem persönlichen Nachlaß des 1982 Verstorbenen, von seiner Witwe Katja Havemann dem Archiv zur Verfügung gestellt, sind bisher hier aufgearbeitet worden. Weitere 300 Stücke werden derzeit erschlossen. „Es geht darum, die Geschichte der Bürgerbewegungen selbst anzunehmen und nicht von Historikern verwalten zu lassen“, erklärte Bärbel Bohley, eine der MitbegründerInnen des Neuen Forums. Anja Nitzsche

Das Havemann-Archiv ist in der Schliemannstraße 23 zu finden und steht Di.–Do. jeweils von 9.30 Uhr bis 15.30 Uhr offen.

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