Durchsuchung in Flüchtlingshaus: „Immerhin keine Tür eingetreten“
Wieder stürmt ein Großaufgebot von Polizisten das von Flüchtlingen besetzte Kreuzberger Schulgebäude. Der Baustadtrat sieht Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt
„So still es ist hier sonst nie“, sagt der Mann, der vor der ehemaligen Gerhard-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße Laub fegt. Die meisten anderen Bewohner schliefen noch, sagt er – schließlich habe der Polizeieinsatz bis zum frühen Morgen gedauert. Ein Großaufgebot von 150 Beamten, darunter das Spezialeinsatzkommando, hatte in der Nacht zu Dienstag die von Flüchtlingen besetzte Schule in Kreuzberg gestürmt.
Laut Polizei handelte es sich um den 30. Einsatz seit der Besetzung vor mehr als einem Jahr. Der Grund diesmal: eine Messerstecherei im Umfeld der Schule. Erstmalig habe man umfänglich Personalien von Flüchtlingen festgestellt und Fotos gemacht, hieß es. „Man muss sich fragen, ob es verhältnismäßig ist, alle Bewohner unter Generalverdacht zu stellen“, sagt Friedrichshain-Kreuzbergs grüner Baustadtrat Hans Panhoff, der nachts zur Schule gekommen war.
Von einer Messerstecherei unter fünf Männern berichteten die Passanten, die am Montag gegen 22 Uhr den Notruf der Polizei wählten. Ein 39-Jähriger blieb schwer verletzt zurück. Er liege im Krankenhaus und sei noch nicht voll vernehmungsfähig, so die Polizei. Zeugen wollten beobachtet haben, dass einer der Täter in die Schule geflüchtet sei. Daraufhin sperrte Polizei das Gelände ab und rückte gegen 23.30 Uhr in das Gebäude ein.
Diese Nachricht verbreitete sich in wenigen Minuten via Twitter und linker Nachrichtenportale. Im Laufe des Einsatzes kamen rund 100 Aktivisten zusammen, die dagegen demonstrierten. Es sei zu Beleidigungen und zur „Beschädigung wichtiger Einsatzmittel“ gekommen, teilte die Polizei mit. Es habe mehrere Anzeigen gegeben.
Darüber, was im Haus passierte, gehen die Schilderungen auseinander. Ein Bewohner berichtet, die Polizei habe sich „wie Wasser“ in die Zimmer ergossen“, habe herumgebrüllt und alle zusammengetrieben, um stundenlang Personalien aufzunehmen. Weder seien sie über den Grund der Stürmung informiert noch zum Tathergang befragt worden.
Der Einsatzbericht der Polizei hingegen vermerkt, man habe ohne jede Zwangsmaßnahme die Personalien festgestellt und die Anwesenden in englischer Sprache informiert. Tatsächlich sprechen viele der aus Afrika geflohenen Bewohner nur Französisch. Sie hätten gedacht, es handele sich um die gefürchtete Räumung, sagt einer von ihnen. „Immerhin sind diesmal keine Türen eingetreten worden“, berichtet Stadtrat Panhoff der taz.
Die Polizei nahm nach eigenen Angaben Daten von 66 Männern und Frauen auf. Ein 23-jähriger Tatverdächtiger sei, ebenfalls verletzt, außerhalb der Schule festgenommen worden. Nach ambulanter Behandlung sitze er in Untersuchungshaft, die Mordkommission ermittle.
Unklare Zukunft
Wie es mit der vom Bezirk geduldeten Besetzung weitergeht, ist unklar. Der Baustadtrat hatte im November angekündigt, bis Jahresende eine Entscheidung zu erwirken. Auch damals hatte es nach einer Gewalttat einen Polizeieinsatz gegeben. Eine einvernehmliche Lösung habe er noch nicht erreicht, die Verständigung sei mühselig, so Panhoff. Eine Räumung komme aber nicht infrage: „Wo soll man denn die ganzen Bewohner unterbringen?“
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