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Durchsage in belgischem Zug„Willkommen im Zug nach Auschwitz“

Eine antisemitische Zugdurchsage in Belgien schockiert Fahrgäste und die Politik. Ein Unbekannter bat „alle Juden, in Buchenwald auszusteigen.“

Besucher an den Gleisen zum Vernichtungslager Auschwitz. Bild: dpa

BRÜSSEL dpa | Mit einer makaberen Durchsage in der Bahn hat ein Unbekannter in Belgien die Fahrgäste schockiert. „Willkommen im Zug Richtung Auschwitz“, hörten entsetzte Passagiere am Donnerstagabend über Lautsprecher in dem Zug von Namur nach Brüssel, berichtete der belgische Rundfunk RTBF am Freitag. „Alle Juden werden gebeten, in Buchenwald auszusteigen.“

Auschwitz-Birkenau und Buchenwald waren in der Zeit des Nationalsozialismus zwei Vernichtungslager, in denen systematisch Juden ermordet wurden. Nach Angaben der belgischen Bahngesellschaft SNCB war ein Mann in die Kabine mit dem Lautsprecher eingedrungen und hatte die Ansage auf Französisch gemacht.

Als der Schaffner in die Kabine lief, war der Unbekannte laut RTBF wieder verschwunden. Reisende bestätigten den Vorfall, über den auch die belgische Nachrichtenagentur Belga berichtete. Der Täter konnte nicht gefasst werden.

Die Bahngesellschaft verurteilte die antisemitische Aktion. Ein Sprecher schloss im Radio aus, dass ein Bahnangestellter die Durchsage gemacht haben könnte. Man werde dem Vorfall nachgehen.

Auch in der Politik schlug die Sache Wellen. Die liberale Abgeordnete Viviane Teitelbaum aus dem Brüsseler Parlament kritisierte im Radio, dass die nationalsozialistische Vergangenheit in der politischen Debatte banalisiert werde: „Es werden immer mehr rote Linien überschritten. Dabei gibt es eine gewisse Verantwortung, wenn einige Politiker Vergleiche ziehen, sei es mit (dem deutschen NS-Politiker Joseph) Goebbels oder mit anderen Vorfällen... Nicht alle kennen die Geschichte, und dann kommt die Sache ins Rutschen.“

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7 Kommentare

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  • A
    Albahar

    Ich frage mich, woran genau liegt der Antisemitismus dieses Vorfalles. Einmal wartete ich mit anderen Freunden, die meisten von Ihnen Juden, in einem kleinen Raum zwischen zwei Türe, die zur Lärmeinschränkung dienten, darauf, in eine Diskothek reinzugehen. Der Raum war dunkel und es gab nur ein kleines rotes Licht ganz oben. Da sagte einer von Ihnen: "jetzt werden wir gasiert". ¿Ist das auch Antisemitismus?

  • R
    Robert

    Ich störe mich auch an der Darstellung für Buchenwald als Vernichtungslager. Richtig gestellt wurde dies schon oben.

    Wenn man so einen Satz gebraucht, darf man sich nicht wundern wenn die braunen pseudointellektuellen Geschichtsfälscher aus den Löchern kriechen, mit dem Zeigefinger in Richtung links winken und sagen, dass die "gleichgeschaltete linksliberale Presse" sowieso lügt und übertreibt.

  • S
    sebastian

    "Der Täter konnte nicht gefasst werden."

     

    Unter Täter verstehe ich mehr als nur jemand der sich einen makabren Scherz erlaubt!

  • O
    oranier

    @ Philipp: richtig, unsere Beiträge haben sich überschnitten.

     

    @ I.Q.

     

    Gute Überlegung zur Antisemitismus-Inflation, sehe ich durchweg genauso.

    "Hat jemand geprüft, ob denn nicht auch auf dieser Strecke Züge Richtung Auschwitz gerollt waren"?

    Ja, habe ich geprüft, und nein, Namur liegt in der falschen Richtung. Die direkten Deportationszüge gingen vom SS-Sammellager Mechelen aus, das bewusst zwischen den Ballungsgebieten Brüssel und Antwerpen errichtet wurde, von wo aus natürlich mittelbar erst einmal die Transporte in das Sammellager gingen.

     

    Grüße

    oranier

     

    P.S. Hillenbrand: kannste vergessen.

  • O
    oranier

    Der Vorfall ist allerdings ein makaberer Scherz, andererseits ist es vielleicht nicht falsch, zwischendurch mal daran erinnert zu werden, dass die Deportationen in die Vernichtungslager mit der Eisenbahn stattfanden, von Belgien aus betraf das über 25 000 Juden und einige hundert Sinti und Roma.

     

    Wenn man darüber berichtet, kann man aber zumindest beiher korrekte Aufklärung leisten. Eine solche stellt jedoch die Aussage:"Auschwitz-Birkenau und Buchenwald waren in der Zeit des Nationalsozialismus zwei Vernichtungslager, in denen systematisch Juden ermordet wurden." keineswegs dar.

     

    Buchenwald war keineswegs ein Vernichtungslager, sondern ein Konzentrationslager. Solche wurden schon seit Beginn der Naziherrschaft 1933 in Deutschland errichtet, sie dienten zumal der Inhaftierung von politischen Gegnern, Zwangsarbeitern, auch medizinischen Menschenversuchen und während des Krieges als Kriegsgefangenenlager. Neben den bekannteren größeren, wie Buchenwald, Dachau, Sachsenhausen, Bergen-Belsen gab es dezentral mehrere tausende im Reich.

     

    Ungeachtet der Tatsache, dass in Buchenwald ca. 56 000 Häftlinge, darunter auch Juden, umkamen, großenteils durch "Vernichtung durch Arbeit", gingen dorthim bestimmt keine Deportationszüge. Die gingen tatsächlich in die Vernichtugslager, von denen es nur einige gab, v. a. Auschwitz, Majdanek, Belzec, Sobobor, Treblinka, die seit 1941/42 zumal für den millionenfachen Völkermord an den Juden, aber auch an Sinti und Roma und Homosexuellen im besetzten Polen und Weißrussland errichtet wurden.

     

    Durch den industriellen Massenmord kam jedoch nur ein Teil der ermordeten Juden um. Mehr noch fielen den Erschießungen durch Polizeitruppen, SS und Wehrmachtsangehörigen zum Opfer, worüber die Ausstellung über die "Verbrechen der Wehrmacht" gegen großen Widerstand aufgeklärt hat.

  • I
    I.Q

    Antisemitismusinflation

     

    Wäre es „antisemitisch“ an einer Autobahn auf die greifbare Nähe von Auschwitz hinzuweisen, indem man den Ortsnamen und die Entfernung bis zu ihm hin angäbe?

     

    Was soll jetzt bei dieser Erinnerungsbemühung die ein unbekannter den Zuggästen – mutmaßlich sicher kein Menschen jüdischer Religion oder Abstammung darunter, also an die „Übrigen“ gerichtet – zugemutet hatte antisemitisch sein?

     

    Hat jemand geprüft, ob denn nicht auch auf dieser Strecke Züge Richtung Auschwitz gerollt waren und was leistet denn der „Zug der Erinnerung“ und jeder „Stolperstein“ anderes, als auf die Nähe der Vergangenheit im Hier und Jetzt aufmerksam zu machen ?

     

    Da dürfte eine Herleitung sicher auch des Tazens Hillenbrand mehr als drei DIN A4 Seiten Schafelnebel kosten, um dies jemanden ahnen zu machen.

  • P
    Philipp

    Buchenwald war kein Vernichtungslager, also kein Lager, in dem Menschen industriell vernichtet wurden. Die Vernichtungslager befanden sich nicht auf deutschem Boden, sondern in den eroberten Gebieten im Osten; insbesondere in Polen.