: Durchs Leben schlurfen
Zwei alte Bekannte: Petterson und Findus ersinnen ihre Anti-Fuchs-Maschine, die letztlich nur Gustavsson schreckt, jetzt auch auf Plattdeutsch: „En Füerwark för den Voss“
von PETRA SCHELLEN
Eigentlich könnte man sich‘s leicht machen. Könnte behaupten, auch Pettersson und Findus seien nichts als die Ausgeburten des allgegenwärtigen Vermarktungswahns, der aus jedem Kinderbuch Stofftiere, Blechdosen, Bleistifte, T-Shirts macht – im Unterschied zu Harry Potter glücklicherweise terminunabhängig, weil hier nicht ständig mit der ultimativen Fortsetzung gedroht wird.
Und vielleicht ist es das auch, was die Bücher des Schweden Sven Nordqvist so beruhigend macht: die Tatsache, dass sie nach Art der mittelalterlichen, mündlich strophenweise vorgetragenen und weitergegebenen Gesänge immer neue Fortsetzungen vertragen – oder auch mal, wie jetzt geschehen, die Übersetzung ins Plattdeutsche, dem – gemessen am Schwedischen, angemessensten Dialekt, der dem Original auch sprachgeographisch nahe kommt. Der Titel des soeben erschienenen Werks: En Füerwark för den Voss.
Und auch hier wird die Geschichte vom schrulligen Pettersson und seinem Kater Findus gemächlich fortgesponnen, und das könnte ewig so weitergehen, weil die Figuren eben nicht auf bestimmte wenige Züge, Rollen und zu durchlebende Situationen festgelegt sind, sondern flexibler, d. h. „erlebnisoffen“. Und so kann der Alte mit Katz‘ und Hühnergang, kann auf jede Situation neu reagieren.
Ein stabiles Mensch-Tier-Paar hat sich hier gefunden, und auch das eher zufällig: Er war halt anfangs einsam, der alte Pettersson, fand sich zu alt und schrullig, um noch eine Partnerin zu suchen und bekam deshalb von seiner Nachbarin ein Kätzchen-Kästchen zugesteckt. Und freudig überrascht stellte er später fest, dass der neugierige kleine Kater Findus sprechen konnte und eine gestreifte Hose wollte.
Doch diese Episode wurde keineswegs als erste erdichtet, sondern irgendwann im Nachhinein, als der Autor dem glücklichen Paar eine fundierte Vergangenheit bieten wollte. Denn letztlich ist es egal, wie man die Geschichten ordnet: Ausgangspunkt ist immer ein gewisses kreatives Chaos, das im Füerwark för den Voss allerdings von außen an die Protagonisten herangetragen wird: Der ewig misstrauische Nachbar Gustavsson klagt über den Fuchs, der allnächtlich Hühner stiehlt. Und natürlich wollen Pettersson und Findus auch die hauseigenen Hühner schützen. Den martialischen Methoden des schießwütigen Gustavsson können sie allerdings nichts abgewinnen.
Stattdessen ersinnen sie eine schlaue Feuerwerk-Fuchs-Erschreck-Konstruktion. Nur hatten sie nicht in Betracht gezogen, dass dem Pettersson der humpelnde Fuchs mitten in der Nacht plöztlich Leid tun könnte. Verschreckt wird also nur Gustavsson, ironischer (nicht schadenfroher) Höhepunkt inklusive. Denn schlicht moralisierend sind diese Geschichten nie. Der Fokus liegt vielmehr immer auf Alternativen zur „einfachen“ Lösung – auch wenn die beträchtlich Mühe kosten. Wenn Findus einen Kuchen will, muss nämlich erst umständlich das Rad geflickt, das Dach repariert, die Leiter hinter einem lebendigen Stier hervorgezogen werden, bevor man zum Einkauf fahren kann.
Und dann wären da noch die durch Illustrationen liebevoll vervielfachten, subtil ironischen Schweden-Klischees: Da steht unter der Blume eben nochmal ein winziges Schweden-Holzhaus, und auf dem winzigen Stengel hat ein noch winzigeres Wesen seine Socken aufgehängt. Die tropfende Kanne ist optimale Dusche für ein lebendiges Irgendwas, in dessen Wanne ein noch kleineres Tierchen im Bötchen rudert.
Ein liebevoller, sich aller Klischees bewusster Schweden-Comic, der nebenbei mit Klischees aufräumt:„Wir sind nicht so blöd, zu glauben, es sei schon Nacht“, sagen die Hühner, als Pettersson sie am hellichten Tag in den Stall locken will. Und wenn er schon auf Abenteuer-Zelt-Tour gehen will, kommen sie eben mit. Mit Nachtmützchen, Zahnbürste und Wattetupfern.
Sven Nordqvist: En Füerwark för den Voss, Hamburg 2002; 27 S., 12,90 Euro
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