Durchs Dröhnland: Mönche auf Pille
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Man muß kein Low-Fi-Spießer sein, um sie zu mögen. Man muß auch nicht ausschließlich süße kleine Poptunes hören, um sie gutzufinden. Man sollte beides mögen, aber dann sind die Simple Ones das Großartigste seit der Entdeckung Neuseelands. Das Trio aus Memphis schrammelt sich die Finger wund und singt sich die Kehlen klebrig. Mal mickrige kleine Perlchen, mal fröhliche Klopper, mal zerfaserte Kleinode ohne Anfang und Ende. Oder auch alles auf einmal und dabei wunderschön, als hätte Jad Fair mit den Beatles überwintert oder Pavement den Stöpsel rausgezogen. Oder vielleicht ist es einfach Rockmusik?
Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224
Als langhaarig sein noch modern war, trieb man sich doch allen Ernstes nächtelang in stinkigen Clubs rum, um einen primitiven Bikerrock zu hören, der 20 Jahre zuvor auch nicht viel schlechter gemacht worden war. Gnadenlose Retrojünger wie die Fuzztones schienen eine Zukunft des Rock 'n' Roll einzuleiten, die schon lange vorher verloren war. An diese harschen Zeiten erinnern die Lombego Surfers nicht nur zufällig. Die Schweizer haben ihre Vorbilder studiert, und sie wissen sie perfekt zu kopieren. Mit den Neunzigern hat das nichts zu tun, klasse ist es allemal.
Heute, 22 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56
„Allgegenwärtig“ hat ihn mal jemand genannt, und wirklich scheint es, als hätte Elliott Sharp, der mit seiner Gitarre inzwischen alle denkbaren Grenzbereiche des Jazz aufgesucht hat, schon mit jedem gespielt, der ein Instrument halten kann, ohne zu wackeln. Doch in Jean- Paul Borelly, dem momentan in Berlin lebenden Gitarristen aus Chicago, hat er ein neues Opfer gefunden. Mit dem Avantgarde-Bluesmann sucht er nun vielleicht die Nähe zu Erdigerem, möglicherweise will er Abwechslung nach seiner letzten Beschäftigung als Komponist für Streichquartette. Auf jeden Fall treffen die beiden vorerst das erste und letzte Mal aufeinander.
Morgen, 22.30 Uhr, Tränenpalast, Reichtagsufer 17
Bei Battery gibt es eine der eher seltenen Frauenstimmen im Elektro-Bereich zu hören. Und zudem noch einen Umgang mit den generierten Sounds, die vor Augen führt, daß immer noch allzu viele an traditionellen Klangvorstellungen hängen. Keinen Moment kommt das Gefühl auf, einer der Klänge versuche nur ein klassisches Instrument nachzuahmen, was nicht heißt, daß Battery nicht trotzdem Stimmungen erzielen, die über den Effekt eines Sci-Fi-Soundtracks hinausgehen. Zwar lösen sie Songstrukturen nur selten auf, aber lassen sich doch mal in pure Lautmalerei fallen, um dann mit einem synthetischen Stück Pop zurückzukommen, das manchmal sogar an Yazoo erinnert. Und das ist keine üble Erinnerung.
Morgen, 22 Uhr, Knaack
Man muß gar nicht mehr überrascht sein, wenn deutsche Bands plötzlich zu großer Form auflaufen. Zumal wenn sie tatsächlich eine eigene finden. So wie Erdmöbel, die den ebenso fiesen wie trockenen Humor von Milch mit der Grooveseligkeit der Sterne und der punkenden Lakonie von Tocotronic verbinden. Erdmöbel sind aus Münster, jawohl, und sie sind gut, ach, was sage ich, sie sind grandios. Und wenn nur deswegen, weil sie einen Song über Derrick gemacht haben, der nicht platt ist, ein schmalziges Liebeslied, das nicht pathetisch ist, und und und. Leicht, sich in Begeisterung zu verlieren, aber absolut angebracht.
Am 12.5., 21 Uhr, Insel, Alt- Treptow 6
Irgendeiner von Herbst in Peking hat offensichtlich eine steinzeitliche Rhythmusbox entdeckt. Jetzt spielen die Ostberliner Heroen der ersten Nachwendestunden damit rum. Dudeln aber immer noch eher altbackenen Rock dazu. Wenn's ihnen Spaß macht.
Am 15.5., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176
Die Vermoosten Vloten sind „ganz aufgeregt“, schreiben sie, weil sie gerade mit Nikki Sudden im Studio waren, um drei Songs aufzunehmen. Ich will Nikki ja nicht zu nahe treten, aber die Regler runterdrehen, das hätte ich auch noch gekonnt. So leben die arg dünn produzierten Stücke mit dem Pappkartonschlagzeug vor allem vom an Nico erinnernden Charme und den Harmoniegesängen der Vloten. Aber so sinister hatte ich das nun doch nicht in Erinnerung. Solange das nicht besser wird, auf jeden Fall immer besser live.
Mit Film und DJ Bebe, 15.5., 22 Uhr, Friseur, Kronenstraße 3
Wieder mal eine aus dem Haufen US-amerikanischer Songwriterinnen, die in letzter Zeit so vehement aus ihren Kämmerchen drängeln. Oder vielleicht fallen sie einem jetzt erst auf, denn Cindy Lee Berryhill hat bereits ihre dritte Platte veröffentlicht. Und vermutlich all die Zeit ihre Joni Mitchell gehört, aber offiziell bekennt sie sich zu Dylan, Reed und Iggy Pop, während man den Einfluß Surf-Musik nicht gerade heraushört. Ist vielleicht auch etwas viel verlangt nur mit Stimme und einsamer Gitarre.
15.5., 21 Uhr Huxleys Junior, Hasenheide 108–114
Nicht gerade unerhört Neues hört man neuerdings von Subway To Sally. Waren die Herr- und Frauschaften aus Potsdam und Berlin bisher berüchtigt für Neuinterpretationen mittelalterlicher Weisen mit den Mitteln des Rock, haben sie bestenfalls den Metal etwas angezogen. Immer noch dräut die Stimme sich ebenso unheilschwanger wie tiefgründig durch Texte, die schon mal in einem Kyrie Eleyson aus tiefster Brust gipfeln, während die Band daherhoppelt wie eine Horde Kapuzinermönche auf Pille.
16.5., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg Thomas Winkler
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