Durchs Dröhnland: Teddybären auf Bühne werfen
■ Die besten, die schlechtesten, die wichtigsten und die überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Doch immer wieder überraschend, wieviel Gedanken sich junge Menschen auch heute noch über die Kirche so machen. Das wird die Pfaffen freuen, denn lieber ein paar pöbelnde Langhaarige im Gottesdienst als nur noch schnarchende Rentner. Creaming Jesus – nomen est omen – gehören auch zu der Gattung: „Es ist nur ein Name. Nicht mehr und nicht weniger. Allerdings war das doch schon sehr schräg, was Gott da mit der armen Maria gemacht hat, oder? Hat er sie gefragt: ,He Maria, darf ich dich ficken?‘ Das glaubst du ja wohl nicht. Andererseits war er in diesem Moment so dermaßen geil auf Maria, daß er sie kurzerhand vergewaltigte.“
Nun gut, auch ansonsten haben die sechs Herren aus London einen sehr schwarzen, des öfteren auch rüden Humor, einen, der gerne die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet. Musikalisch dagegen wissen sie, was sich gehört. Ihr Hardcore ist intelligent, ohne kapriziös zu werden. Liebevoll werden artfremde Harmonien eingebaut, da taucht auch schon mal Country auf, viel Metal, auch Doom, aber die Betonung liegt immer auf Hardcore. Geradezu berüchtigt sind sie wegen ihrer Coverversionen, die man nur noch Verhackstückchen nennen kann. Cure mußten dran glauben, und aus „Temple of Love“ von den Sisters of Mercy wurde ein „Temple of Shit“, neben dem Katrin Krabbe auch mit Testosteron ganz langsam ausgesehen hätte. Trotzdem liegt ihr Hauptaugenmerk nicht auf Rekordgeschwindigkeiten. Statt dessen kontrastiert ihr unheiliger Humor mit den düsteren Stimmungen, die ihre Klänge fühlen lassen. Schon ihr Humor läßt sie aus der so sehr um Ernsthaftigkeit bemühten Trostlosigkeit im Postpunk hervorstechen, aber diese Mischung macht sie einzigartig.
Am 12.3. um 22 Uhr im
K.O.B., Potsdamer 157,
Schöneberg
Herzschmerz, Seufz, die Lemonbabies sind zurück. Zwar ist Gina aus schulischen Gründen ausgestiegen, aber die Neue ist längst gefunden und heißt Dodo. Demnächst soll es erstmals eine ganze, vollständige CD mit vielen neuen Liedern geben. Da muß Berlins zarteste Versuchung, seit Milka das Rezept geändert hat, vorher noch auf die Bühne zum Üben. Teddybären auf die Bühne werfen ist Pflicht.
Am 13.3. um 22 Uhr in der
Turbine, Wiener Straße 46,
Kreuzberg
Irgendwo in den Staaten, mitten im Nirgendwo, muß es ein streng geheimes Labor geben, in dem diese jungen Männer geklont werden. Danach werden sie mit einer getürkten Historie versorgt und auf die freilebenden Garagen und Übungskeller der USA losgelassen. Sie treten gerne in Rudeln auf und nennen sich dann Band. Für ihren Balztanz benutzen sie heilige Kultgegenstände. Diese sind aus Holz, bauchig geformt und mit Metalldrähten bespannt. Sie selbst nennen sie „elektrische Gitarren“ und bekommen leuchtende Augen, wenn sie dieses für sie heilige Wort aussprechen oder hören. Ein zuletzt in der Nähe von Chicago aufgetauchtes Rudel nennt sich Coffin Break. Ihre Stammesgesänge erinnern an die anderer berühmter brandschatzender Horden der Geschichte: Dinosaur Jr., Nirvana, Doughboys oder Attila. Im Gegensatz zu letzterem sind sie allerdings überhaupt nicht gefährlich, sondern vier ganz liebe Jungs – das kann man ihren offenen und sympathischen Gesichtern ablesen. Vorausgesetzt allerdings, keiner nimmt ihnen ihre elektrischen Gitarren weg.
Am 12.3. um 20 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114,
Kreuzberg
Irgendwann fand ich das ja mal lustig. Ja, wirklich. Kaum zu glauben. Ich habe sogar Pogo getanzt. Übrigens der sanfteste, den ich je das Vergnügen hatte zu erleben. Das muß wohl mit dem Älterwerden zusammenhängen. Oder ich gehe mit meiner Tochter hin. Ja, das mach' ich. Die Fans der Toy Dolls brauchen eh Nachwuchs, denn offensichtlich will Sänger Olga noch länger im Lustiggeschäft bleiben. Gewisse graue Haare sind aber auch bei Olga nicht zu übersehen. Da hat sich auf der neuen Platte doch tatsächlich ein kritischer Song eingeschlichen. Von Spinnen im Ankleidezimmer zur Fernsehabhängigkeit – auch eine Entwicklung. Aber eins muß man zugeben: „Nellie The Elephant“ hat immer noch was. Nur was?
Am 14.3. um 20.30 Uhr im
Loft, Nollendorfplatz,
Schöneberg
Der Off-Beat gibt sich in letzter Zeit ja alle erdenkliche Mühe, das Stigma der verstorbenen Reggae-Heroen der Siebziger abzulegen. Und langsam kehrt auch der Erfolg zurück. Nicht in dem Ausmaß wie bei Marley oder Tosh, aber auf den Tanzböden sind Dub und vor allem Raggamuffin wieder eine feste Größe. Statt direkt aus Jamaika kommen die neuen Sounds allerdings inzwischen eher über den Transmissionsriemen jamaikanischer Communities nach Europa und Nordamerika. Natürlich bleibt es da nicht aus, daß die Einwanderer die neue Umgebung und ihre Klänge aufnehmen und integrieren. Der Londoner Shinehead ist so ein Beispiel. Die einen mögen
Shinehead Foto: Mark Seliger
es Verwässerung oder Kommerzialisierung nennen, die anderen Innovation, wenn Shinehead die jamaikanische Musikgeschichte vom Lovers Rock über Kiffer- Reggae bis zur Moderne plündert und auch Rap, Scratching und Crooner-Soul adaptiert. Den Tanzböden ist das egal, die sind geduldig, und die Tänzer sind ihnen sicher.
Am 18.3. um 20.30 Uhr im Loft Thomas Winkler
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