Durchs Dröhnland: Vom Willen zum Pop, den vier Schwäblein u.a.
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Ich weiß nicht, woran es liegt, aber französische Bands klingen immer – egal ob sie nun Pop oder Rock spielen – nach Comic. Auch bei Les Thugs ist das nun seit zehn Jahren der Fall, obwohl sie sich auf englisch bemühen, ihrem Punkrock die üblichen Inhalte von der bösen Gesellschaft und dem wahren Leben, der Wut und den anderen großen Gefühlen zu geben. Es klingt einfach komisch, wenn ein Song mit Zeilen wie „Hunger kills in the Third World, while planet earth is dying“ sich im Refrain zu einem frisch- fromm-fröhlichen und herzlich sinnentleerten „Papapapa“ aufschwingt. Allerdings sind unsere vier, inzwischen nicht mehr so taufrischen französischen Freunde pünktlich zu ihrer aktuellen Platte in Seattle gelandet, wo sie von Kurt Bloch höchstpersönlich produziert wurden. Der verpaßte schon Mudhoney und Tad das schwer Grummelnde, was man inzwischen auch im gutbürgerlichen Feuilleton gemeinhin als Grunge bezeichnet. Les Thugs haben sich allerdings eine drauflosspielende Dreistigkeit bewahrt, die sie vom Rest des Alternative Rock abhebt. Comic eben. Franziska van Almsick würden sie gefallen, schätze ich mal.
Heute, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Kreuzberg.
Als schon einmal NÛkladÛ in dieser Rubrik auftauchten, behauptete ich in Ermangelung genauerer Informationen, da hätten wohl „mal wieder Kunststudenten zugeschlagen“. Auf dem aktuellen Info prangt jetzt erzürnt und handschriftlich „Wir sind übrigens keine Kunststudenten“. Was hiermit klargestellt sein soll, aber von der musikalischen Tendenz her immer noch zutrifft. Denn die Kopfgeburten, die NÛkladÛ so zu zaubern imstande sind, kommen doch manchmal arg gequält daher – ganz zu schweigen von den Saiten der armen Geige, die für die stimmungsvolle Untermalung der schwerblütigen Texte herhalten muß. Trotzdem können sich die zwei Frauen und zwei Männer aus London, Glasgow, Newcastle und Frankfurt/Main nicht so recht völlig fürs Experimentelle entscheiden. Ihre besten Momente haben sie denn auch, wenn ihre Ader für Kaffeehausmusik sie überwältigt. Nicht, daß man gleich ins Schunkeln geriete, aber in der fast völligen Abwesenheit von Rhythmus läßt sich doch eine gesunde Portion Nihilismus finden, daß einem die schwarze Soße wohlig durch die Kehle rinnt.
Heute, Café Zosch, Tucholskystraße 30, Mitte.
Manche machen es sich besonders schwer. Ken Haus zum Beispiel. Der hat nicht genug damit zu tun, in einer kalifornischen Hardcore-Band zu singen. Der muß das zusätzlich auch noch in Deutschland bei den Spermbirds machen. Doch diesmal kommt er mit seinem Hauptprojekt Shock Factor in seine zweite Heimat. Die vier aus San Francisco spielen einen sehr eindeutig vom Metal beeinflußten HC und können sogar etwas, was man als Ballade bezeichnen könnte. Jedenfalls im Vergleich zum Rest, der neben der – eigentlich überflüssig, das zu erwähnen – politischen Korrektness gutes Kopfschüttelfutter abgibt. Dazu bedienen sie sich aus dem ein wenig angestaubten Metal-Fundus. Schön stumpfe Knüppelparts wechseln mit episch angelegten Breitwandriffs, Haus selbst schwankt zwischen Jodeln, Protzbösegesang und angedeutetem Gerappe.
Am 22.1., 22 Uhr mit Need A New Drug, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg.
Daß man Dub Reggae so ziemlich mit allem kombinieren kann, bewiesen zuletzt die Fellow Travellers. Die Fusion, die A.O.S.3 betreiben, ist nicht ganz so spektakulär und hat vor allem eine wesentlich längere Tradition. Die Seelenverwandtschaft, die Teile der englischen Punkszene mit dem jamaikanischen Ska fühlten, führte vom schlichten Covern alter Klassiker (Clash) schlußendlich zum Hardcore-Reggae- Crossover (Bad Brains). Den Versuch weitergeführt haben – mit einer eindeutig politischen Stoßrichtung und einer Hinwendung zum Dub – Bands wie Radical Dance Faction. A.O.S.3 bevorzugen einen wesentlich entspannteren Dub als die Faction und glänzen mit einem größeren Willen zum Pop inklusive Badewannen-Refrains. Der Purist mag vorwerfen, daß bei ihnen das Tanzen vor der Politik kommt, aber damit reihen sich die sechs aus dem englischen Sunderland in eine exquisite Reihe subversiven englischen Popschaffens ein (Gang of Four, Chumbawamba, Housemartins, die Pet Shop Boys etc.). Der musikalische Ansatz war zwar jeweils verschieden, die Strategie aber dieselbe: Die Charts okkupieren, und schwuppdiwupp summte jeder plötzlich Zeilen mit, für die man andernorts auch schon mal in den Knast kommen konnte.
Am 22.1., 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg.
In diesem Fall können wir uns mal nicht an die so beliebten Klischees halten. Auch wenn Madder Rose des öfteren schon mit Dinosaur Jr., My Bloody Valentine oder Cowboy Junkies (By the way, was für eine Reihe?) verglichen wurden, sind sie doch eher englisch, weil sehr sehr poppig. Um mal ganz ehrlich zu sein, mich erinnern die vier aus New York eher an die Primitives (wer sich noch an die erinnert), vor allem natürlich wegen der einerseits so charmant kindlichen und andererseits so penetrant nöligen Frauenstimme. Da ich damals eine etwas peinliche Schwäche für die Primitives hatte, kann ich jetzt Madder Rose guten Gewissens gut finden. Denn die bieten auch noch einen halbwegs gesunden Batzen Alternative-Rock-Lärm. Gerade so viel, um Radio-Playlists nicht abzuschrecken, aber genug, um jeden Süßlichkeitsvorwurf loszuwerden.
Am 23.1., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg.
Es war einmal eine kleine Band aus Stuttgart, die nannte sich Maria Kron. Es begab sich aber zu der Zeit, daß im Lande ein ganz besonders erbärmlich schmeckender Weinbrand namens Mariacron herrschte. Der gehörte zum Reich der Schnapsbrenner von Eckes und war deshalb märchenhaft reich. Weil die Herren von Eckes Angst hatten, durch die tapferen Gesellen aus Stuttgart könnte ihr Reichtum geschmälert und ihre Ehre geschändet werden, schickten sie ihre Rechtsanwälte aus ins Schwabenländle. Die vier kleinen Musikanten waren aber leider arm wie Kirchenmäuse, konnten sich den langandauernden Prozeß irgendwann nicht mehr leisten und willigten deshalb in einen Vergleich ein, aufgrund dessen sie schon jetzt nicht mehr Maria Kron heißen dürfen. Jetzt heißen sie Ex-Maria Kron und spielen immer noch ihre sehr gewagte Mischung aus Funk, Jazz und Pop-Fröhlichkeit. Aber erst wenn Martina Haag ihre Stimmbänder in die Höhe schraubt wie gotische Kirchtürme, stellt sich diese komische sakrale Wirkung ein, auf die schon Enigma einen großen Haufen Geld schaufelten.
Am 27.1., 22.30, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56, Mitte. Thomas Winkler
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