Durchs Dröhnland: Leitfaden für den öffentlichen Dienst
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Abteilung Kritikerlieblinge: Und auch ich will keine Ausnahme machen. Smog sind wunderschön dahindümpelnd, der Kammermusik zuneigend, ganz reduziert und doch sphärisch und dazu noch fast ein wenig ironisch, wenn zum Beispiel „Wild Love“ aber auch jede Wildheit völlig abgeht, nicht einmal einen Rhythmus hat das arme Ding. Sebadoh sind das Selbstverwirklichungsprojekt des Ex-Dinosaur-Jr.-Bassisten Lou Barlow, der Prügel und Diktatur von J. Mascis nicht mehr ertragen hat. Während der alte Kumpel J. zumindest in den USA chartsfähig geworden ist, hält Barlow weiter das Indie-Fähnlein hoch und hat die Liebste-Fanzine- Band-Fackel souverän von Superchunk übernommen.
Heute, 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg
Abt. DDRomantik: Die Linkssentimentalen Transportarbeiterfreunde suchten und fanden ein neues Gewand für alte FDJ-Gassenhauer und Kampflieder amerikanischer Genossen. Diese werden mit viel Stimme und einigen wenigen akustischen Instrumenten zum Vortrage gebracht.
Heute, 23 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg- Platz, Mitte
Abt. Entrostete Helden: The Business fanden sich Anfang der 80er auf einigen Oi!-Samplern und freuen sich jetzt, daß das die Leute hierzulande wieder hören wollen. Also haben sie ihre Anzüge entmottet und ähnliches mit ihrer Musik versucht, was halbwegs gelungen scheint.
Am 20.5., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41, Kreuzberg
Abt. Motorenöl: Die Garage, eine schon länger wieder in der Versenkung verschwundene Örtlichkeit, um Musik aufzuführen, erfährt fröhliche Renaissance durch die aus der hiesigen Gegend stammenden Mondo Fumatore. Diesem Trio sind die Pontiac Brothers und andere vergessene Helden des Gitarrenhandwerks offensichtlich nicht unbekannt, und allein das freut das Herz.
Heute, 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg
Abt. Obskurste Überraschungen: Dafür immer gut ist England, wo Minxus herkommen, deren Songs zwar manchmal allzu bemüht Avantgardistisches versuchen, auf der Insel aber trotzdem als Pop eingestuft werden. Für mich klingt das ungefähr so, als wenn Kate Bush versucht, King Crimson extra mißzuverstehen. Genau das kann allerdings ziemlich reizvoll sein, wenn man die Nase voll hat von New-Age-Sirenen und Noise-Gitarren, aber auch nicht ganz darauf verzichten möchte. Wer zudem ein Faible für vertrackte Breaks und wildeste Rhythmusschwankungen hat, findet hier sein Walhalla. Von Crossover wollen allerdings auch Minxus selbst nichts wissen, deshalb lassen sie die sich beißenden Teile oft recht unbeteiligt nebeneinander her delirieren.
Am 21.5., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
Abt. Alte Erinnerungen: Wegen dem Mann bin ich extra mal bis nach Nürnberg getrampt, noch zu Mauerzeiten, was anstrengend genug war. Tatsächlich ließ ich mir kein Dream-Syndicate-Konzert in Reichweite entgehen. Dann lösten sie sich auf, Sänger Steve Wynn wandelte fortan Solo und mutierte hastdunichtgesehn zum Altherrenrocker. Dann tat er sich mit ein paar anderen Gescheiterten des US-amerikanischen Gitarrenrock-Undergrounds zu Gutterball zusammen, und immerhin eine leichte Besserung war zu erkennen. Immerhin, die Presse registrierte die „Supergroup“ nun wohlwollend, und so hatten Wynn und die Kumpels immerhin ihr Altenteil gesichert. Die letzte Platte ist sogar recht flott geraten, man hat wohl daran getan, das Studio nur für eine Woche zu mieten. Entsprechend roh, zerfahren, ja schon fast „authentisch“ (was für ein doofes Wort) ist das Ergebnis geraten und also wieder näher dran an diesen Dream Syndicate, die ich mal so geliebt habe. Allerdings geht mir der gute Herr Wynn mit seinen selbstgefälligen Geschichten von den armen Männern, die immer so verlassen sind, inzwischen ein wenig auf die Nerven. Die Ruhe für den gut abgehangenen, klassischen Song, der nie mehr will, als sich in gewöhnlichem 4/4 suhlen, hat Wynn aber zum Glück nicht verloren.
Am 21.5., 21 Uhr, Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Neukölln
Abt. Blöde Wetten: Zu Gianna Nannini fällt mir immer zuerst diese Geschichte ein: Meine damalige Mitbewohnerin wettete dummerweise vor der Fußballweltmeisterschaft 1990, daß sie in einer gewissen Schöneberger Kneipe auf den Tisch steigen und den WM-Song von Nannini (den mit dem Sommer) schmettern würde, sollten die deutschen Kicker den Titel gewinnen. Sie selbst war großer Toto-Scilacci-Fan, aber wie wir alle wissen, schritt der Kaiser höchstselbst 1990 wohlgefällig zufrieden über den römischen Rasen, aber meine Freundin drückte sich so lange, bis es die Kneipe nicht mehr gab. Viel mehr fällt mir aber zu unserer beliebten „Rockröhre“, diesem „erfolgreichsten italienischen Exportartikel seit der Tortellini“ (so oder ähnlich in einem Magazin ihrer Wahl) leider gar nicht ein. Sollte es das denn? Ich glaube nicht.
Am 23.5., 20 Uhr, Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten
Abt. Fremdsprachen: Dieses Trio aus Calgary nennt sich Huevos Rancheros, was übersetzt so etwas Unschuldiges wie „Eier vom Bauernhof“ heißt, sich in mexikanischen Restaurants jedoch als unglaublich scharfes Eierfrühstück mit schwarzen Bohnen entpuppt. Die Musik der Huevos Rancheros ist kaum ähnlich überraschend. Diese Surf-Rock'n'Roll- Instrumentals mit den hawaiianisch zitternden Gitarren hat schlichten Gemütern wie mir in den letzten Jahren zwar zugegebenermaßen viel Freude gemacht, aber um mich glücklich zu machen, muß man nicht extra von Kanada herkommen. Zuviel der Ehre, hier gibt es schließlich die Space Hobos und noch einige mehr, die einem einen ebenso schwelgerischen und tollenvollen Abend garantieren.
Mit Doc Thomas & his Honky Tonkin' Music Lovers (Berlin) und Barnshakers (Finnland) am 24.5., 21 Uhr, Huxley's Jr. Thomas Winkler
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