piwik no script img

Durchs DröhnlandLeide ausführlich und siehe: Schon wird's besser

■ Die wichtigsten und überflüssigsten, die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Wie die B-52's zu allerbesten Zeiten, also ein gutes Stück vor den Feuersteins, treibt sich auch bei Onk Onk die Doppelfrauenstimme in recht ekstatischen Höhen herum. Die kreischende Partystimmung wird bei Onk Onk allerdings durch die Ingredienzien klassischen Punkrocks konterkariert: Eine treibende Gitarre, ein knüppelndes Schlagzeug, eine schöne Coverversion von den Zero Boys und der textliche Versuch, die Lage der Nation zu kommentieren, finden sich auf „Waiting for Nothing“, dem Erstling der Berliner, dessen Erscheinen heute gefeiert wird.

Mit Aargh!, heute, 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157

Man stelle sich mal vor, Tom Waits wäre nicht im kalifornischen Pomona, sondern im österreichischen Wien zur Welt gekommen und müßte nun sein Lebtag lang Kaffee schlürfen statt Bourbon. Er klänge vielleicht wie Franz Franz, den sein Akkordeon durch verschiedene Bands geleitet hat, der Cajun gespielt hat oder Delta-Blues. Und weil die volksmusikalischen Auen inzwischen ja auch von alternativen Angeboten wie den Schweizern Attwenger bevölkert werden, hat Franz Franz eine Symbiose aus seiner musikalischen Vergangenheit und der Österreichs versucht. Und Fiaker-Versionen vergessener Pop-Schmetata durch Reduktion erfolgreich trockengelegt.

Heute, 23 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg- Platz

Sollte Thomas Wagner seinen Vater mit in den Schoko-Laden bringen, wäre es wohl besser, die Klamotten von der letzten Wohnungsrenovierung rauszukramen. Da die dortige Bühne aber wohl zu klein ist, als daß sich Jürgen Wagner mit Pinsel und Leinwand richtig austoben könnte, werden Herr Blum nur als Duo mit Gitarre und Schlagzeug und dem derben Deutschrock kommen, der von Hendrix, Birth Control und Puhdys gelernt hat.

Morgen, 22 Uhr, Schoko-Laden, Ackerstraße 169

Kann es inzwischen etwas Unzeitgemäßeres geben als eine Rave-Band? Wohl kaum. Doch die Charlatans kümmert das wenig. Die glauben immer noch, sie leben in „Madchester“, hauen jedes Jahr eine Platte raus und leiten ihr aktuelles Werk mit einem Arme-über-dem-Kopf-hin-und- her-schwenk-Teil ein, dessen einziger Text „Lalala“ ist. Vorne gibt's eine Gitarre, hinten orgelt die Orgel und tummelt sich der berühmte dezente Rave-Beat. Das ist genauso gut wie vor fünf Jahren und sogar besser, aber genauso überflüssig wie die letzte Stone-Roses-Platte.

Montag, 30.10., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz 5

Was ist denn jetzt los? Kommt nun das Pathos zurück, das richtig dicke, fette, große Pathos? Das übermächtige, gewaltige Gefühl, an dem jede kleingeistige Kritik einfach abprallen muß? Hört man Sidi Bou Said, ein Frauentrio aus London, könnte man es glauben. Da schwelgen die Stimmen, jubilieren Gitarren, donnert der Pomp, tristet aber auch verrauchte Bar-Melancholie. Aber ganz englisch klappen die drei die Schere auf und singen: „In the evening when I throw up / I've had too much again I know it“. Der Song heißt „Ode to Drink“ und fuhr begeisterte Rezensionen ein, in denen von „angenehmer Überraschung“, „robustem Sinn für Humor“ und „entzückender, herrlicher, bester neuer Musik“ die Rede war. Für Bang Bang Machine gilt ähnliches, auch wenn die traditionell arrogante Londoner Presse das Quartett aus Birmingham nicht ganz so euphorisch bedachte. Die schrecken selbst vor Geigen nicht zurück, aber dafür fehlt ihnen auch die Hinterlistigkeit im Wohlklang. Statt dessen wurden sie verglichen mit Transvision Vamp, einem der größten Flops in der an Hypes nicht armen englischen Popgeschichte. Ob hier mehr Substanz ist, wird man abwarten müssen.

Dienstag, 31.10., 20.30 Uhr, Insel, Alt-Treptow 6,

Anne Clark ist mir peinlicherweise schon in die abgelaufene Rubrik gerutscht. Der Termin soll hier korrigiert werden. Was letzten Freitag geschrieben stand, behält natürlich seine Gültigkeit.

Dienstag, 31.10., 21 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108

Der letzte, der das Neo-Hippietum von der US-Westküste noch hochhält, ist Chris Cacavas, der damals in den 80ern zwar keine treibende Kraft dieser Musik war, aber längst zu ihrem Testamentsverwalter aufgestiegen ist. Auch auf seiner neuen Platte herzschmerzt er, was das Zeug hält. Die heißt denn auch nicht umsonst „New Improved Pain“, wobei der Schmerz hier eher als Allheilmittel gegen sich selbst verstanden werden will: Leide ausführlich, laß es dir richtig schlecht gehen und siehe: Schon wird's besser. Altes Prinzip von Neil Young, das immer noch funktioniert, und da Cacavas seinen Chef kennt, weiß er, wem er zu huldigen hat. Das ist natürlich nicht selten hart an der Grenze zum Kitsch. Aber gerade da ist Cacavas am besten, wo er so langatmig wird wie die alten Kumpels von Rain Parade, wenn er es einfach nur klingen läßt. Große breite Weite dann.

Mittwoch, 1.11., 20.30 Uhr, Loft

Zwar werden Alice Donut im Laufe der Zeit immer freundlicher, lassen den Hörer immer öfter die Songs nachvollziehen, aber die großartige Sperrigkeit, die sie – für mich jedenfalls – eine Zeitlang zur besten weißen Rockband hat werden lassen, haben sie sich doch bewahrt. Inzwischen kommen sie eher wie ein Wolf daher mit dem Schafspelz locker um die Schultern geschwungen – eine falsche Bewegung und das Ding ist weg. Der Pop, der ihnen hoffentlich nie richtig gelingen möge, ist überall auf der neuen Platte „Pure Acid Park“, und der Rock, der so klassisch ist, wie man es von einem Haufen durchgeknallter New Yorker erwarten darf, läßt sich nicht mehr überhören.

Mit der Abteilung Hardcore, unter der man sie beim Plattenhändler immer noch suchen kann, hat das nichts mehr zu tun, und auch der frühere Wagemut, der sie schon mal im Avantgarde- Fach landen ließ, ist ziemlich zurückgeschraubt. Auch Alice Donut sind mit dem Alter milde geworden und verstecken jetzt ihre atonalen Angriffe und ihre zirkushaften Einlagen raffinierter. Große Zitierer und gemeine Texter waren sie schon immer, mit der Reife kommt eine fast schon beatlessartige Breite des Ausdrucks, der man boshafterweise glatt Gesamtkunstwerkversuche unterstellen könnte. Bis zur Vollendung dessen bleiben sie eine glücklicherweise noch geheime Lieblingsband.

Mit Bedlam Rovers und Ultra Bride, Donnerstag, 2.11., 21 Uhr, Huxley's Junior Thomas Winkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen