Durchs Dröhnland: Die Revolution ist tanzbar, weil von Schlieren befreit
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Daß es einen Metal zwischen Kindergartenschock und Bon-Jovi-Schmalz geben kann, beweisen Life of Agony. Zu intelligent für den Mainstream und nicht bösartig genug für Death oder Doom, nehmen sie sich das Beste aus beiden Welten. Über einem zwar recht konventionellen, aber extra exakt gespielten Gitarrendröhn darf Sänger Keith Caputo souverän jedes Metal-Klischee umsingen. Dabei moduliert und stöhnt und jammert sich Caputo durch Texte voller kleiner Nabelschauen und verzichtet vor allem auf die genreüblichen Muskelspiele und Splatteranwandlungen. Life of Agony finden den schmalen Pfad zwischen unangemessener Kunstfertigkeit und locker hingerockter Poppigkeit. Die Metal-Band, auf die man zu lange warten mußte.
Heute, 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 90, Kreuzberg
Zuletzt hatte sich Nick Saloman etwas intensiver ins Rockige verirrt, was dazu führte, daß er hin und wieder sogar als Grunge-Opa mißverstanden wurde. Dabei wäre das nun wirklich das allerletzte, was er seiner Musik, die er unter dem Titel Bevis Frond veröffentlicht, zumuten würde. Saloman ist so englisch wie die Meldung „Last orders“ im Pub. Er selbst sagt: „Ich bin ein alter Sack. Mein Bierbauch und meine Falten passen nicht in den Mainstream.“ Und auf der letzten Platte hat er nun auch wieder den schönen alten Hippie-Rock reaktiviert, inklusive Sitar und ellenlangen Gitarrendödeleien.
Mit Das Weeth Experience, heute, 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108, Neukölln
Geboren in New York, die ersten Auftritte als Trommler in Brüssel, die ersten eigenen Platten in Berlin. Inzwischen hat Kyat-Hend Dittmann den Beruf des Piloten erlernt, was hilfreich war, als er in Afrika und speziell in Zaire, wo seine Vorfahren herkamen, allerlei Rhythmik studierte. War die Musik Dittmanns eine Zeitlang noch der Versuch, westlichen Pop mit dem Soukous Zaires zu versöhnen, hat er inzwischen die westlichen Anteile größtenteils gestrichen, dafür als Taktforscher, der er ist, viele andere afrikanische Beats adaptiert.
Morgen, 23 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg
Daß Reggae mal sehr viel mit Rhythm & Blues zu tun hatte, hört man immerhin noch bei Gregory Isaacs. Der wurde in den letzten Jahrzehnten öfter mit schleimigen Produktionen totgemixt, zeigt den jungen Hüpfern aber weiterhin, wie man einen knorke Lover's Rock hinnuschelt.
Morgen, 21 Uhr, marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg
Deadly T ist Chefdenker und Oberanarchist der Anarchist Academy, der einzigen HipHop- Crew Deutschlands, die demnächst als terroristische Vereinigung ausgezeichnet werden dürfte. Die Academy hatte zuletzt sogar einen kleinen Hit mit „Flammen in der Nacht (Bundestag brenn!)“. Die Beats sind so modernisiert und von Schlieren befreit, daß die Revolution vielleicht nicht erfolgreich, aber zumindest tanzbar wurde. Deadly Ts letztes Lebenszeichen war eine Solo-Platte: schwerer, bisweilen unverdaulicher Stoff, bei dem einem manchmal die Beine einschlafen. Dafür rotiert das Köpfchen, wenn der „Rassenkrieg?“ analysiert und die „Räterepublik“ propagiert wird.
Morgen, 21 Uhr, im SO 36
Es gab für Mike Muir ein erfolgreiches Leben nach Suicidal Tendencies. Infectious Grooves spielten einen flotten Funk-Metal, der dem Rest der inflationären Stilrichtung die Grenzen aufzeigte. Doch diese Ansteckungsgefahr ist erst mal gebannt: als Cyko Miko kehrt Muir zu den Schatten der Vergangenheit zurück und hat sich sogar den Sex- Pistols-Gitarristen Steve Jones als Gast geholt. Ein etwas eindeutiger Punkrock und ein leicht reduzierter Funk sind die Folgen.
So., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Die nächste Busladung farbloser Engländer wartet schon. Menswear sind die ersten, die dem Britpop-Revival-Wahn nach Oasis und Blur ihren Plattenvertrag verdanken, den sie nach gerade mal ihrem dritten Auftritt schon in der Tasche hatten. Und ähnlich wie die Vorbilder schwitzt aus jeder Rille die große Vergangenheit Britanniens, was vor allem natürlich Beatles bedeutet.
Di., 21.11., 21 Uhr, Huxley's Junior
Früher einmal war Mike Scott besorgt um sein Seelenheil und sang vom „spirit“, während die Waterboys ihr bißchen Rock 'n' Roll dazu spielten. Nach zwölf Jahren begab sich Scott auf Solo- Beine, und wie es sich für einen zum Singer/Songwriter Konvertierten geziemt, muß mal die akustische Gitarre, mal ein Klavier und die Stimme genügen. Die klingt zwar so zerbrechlich, als wäre seine Seele endgültig verlorengegangen, aber die Texte drehen sich jetzt um handfestere Dinge: ums Reisen, um Städte, um die Liebe. Sich selbst in der neu gefundenen Standfestigkeit bietet er gar als Erlöser an, bei dem man ruhig alle Last und Bürde dieser Welt abladen kann.
Do., 23.11., 20 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz, Kreuzberg
Daß nicht jeder Engländer auf eine Popkarriere hofft, lassen Skydrive vermuten. Die kommen aus Oxford, wo sie sich bereits eine berüchtigte Reputation als Hardcore-Band zugelegt haben. Nicht, daß sie nicht wüßten, was eine nette Melodie ist, man merkt es ihnen immer wieder an. Aber man sollte es ihnen nicht vorwerfen, sie könnten überreagieren. Lob sie lieber für ihre vertrackten Rhythmen, die verquasten Riffs und die kompromißlosen Texte.
Do., 23.11., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!
Es gibt keine neue Platte von Grant Hart, aber auch so ist der ehemalige Hüsker-Dü-Trommler immer einen Besuch wert. Weil kaum jemand sonst soviel Herz in seine Songs packen kann, so schüchtern seinen Bauch hinter der Gitarre versteckt und so viel Trost spricht. Und weil niemand sonst Rock macht mit soviel Soul. Spielen wird er zuerst doch tatsächlich unplugged (bäh), dann mit seiner Band Nova Mob.
Do., 23.11., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg Thomas Winkler
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