Durchs Dröhnland: Bier für den hl. John
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Nennen sich Prager Handgriff und haben einen Fanclub in Brasilien. Dabei kommt das Duo aus Bochum, posiert in Industriemonumenten und erzählt mit maschinellen Rhythmen von der Seelenlosigkeit der Großstadt. Als einer unter wenigen EBM-Acts schreiben sie deutsche Texte und versuchen sich in Zeitgeschichte – ebenfalls ungewöhnlich für das Genre. „Deutschland?“ fragen sie, und heraus kommt ein Stück über „die braune Seuche“. Da macht es fast gar nichts, daß ihre Pose die vom Aussterben bedrohter Avantgardisten ist, verbinden sie doch ein Herz für Arbeiterästhetik mit Sozialarbeiterpathos aus den frühen 80ern.
Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg
Als Punk schon längst seine Unschuld, aber noch nicht seine wütende Kraft verloren hatte, entstanden ein paar sehr gute Platten. Sere knüpfen dort an. Das Trio aus New York weiß kein Liedchen zu singen von Designer-Punkrock oder Crossover-Dudeleien; statt dessen kann man bei ihnen hören, daß die frühe bis mittlere Phase von Hüsker Dü zu Recht nicht vergessen wurde. Oder auch, daß Motörhead schon immer eher Punk als Metal waren. Es ist verwunderlich, wie man so schwer und zäh spielen kann und dabei so elegant bleibt. Und weil Bassist und Gitarrist gerne zeitgleich und auch hintereinander singen, fügt sich ein Anflug von Harmoniegesang in eine Auffassung von Hardcore, die man auch heute noch hören kann, ohne rote Ohren zu bekommen. Bei Mindwar liegen die Dinge komplizierter, weil ausgerechnet der Gesang per Kreischen eine Nähe zum Metal sucht. Das klingt böse, aber auch ein bißchen peinlich.
Samstag, 2 (!) Uhr, Kulturfabrik Lehrter Straße 35, Moabit
Die Anweisung kam von ganz oben: Eines Tages erschien John Lennon in Gütersloh- Steinhagen – im Traum eines unmusikalischen Jungen. „Er hat mir 15 Songs vorgespielt“, erzählt Buttermaker heute, „am nächsten Morgen habe ich meine alte Sperrmüllgitarre genommen und alles runtergeschrammelt.“ Für das erste Album wurden fast nur diese Lennon-Originale verwendet. Nur leider hört Buttermaker im Traum nicht gut und hat zudem auch noch ein sehr schlechtes Gedächtnis. Oder kann sich jemand vorstellen, daß folgende Zeilen direkt vom heiligen John kommen: „Alles öde, alles Mist / Wenn man nicht besoffen ist / Sage ich mir hier / Und bestelle noch ein Bier.“ Wo Guildo Horn versucht, den deutschen Schlager mit den eigenen Mitteln zu schlagen und dann vom ihm aufgesogen wird, kann man Buttermaker im besten Falle zugute halten, daß er versucht, die Hamburger Schule zu ironisieren, um dann als Karnevalsbeschallung zu enden.
Morgen, 24 Uhr, Café Swing, Nollendorfplatz, Schöneberg
Wer sich fragt, was aus den Helden seiner Jugend geworden ist, der findet Antworten bei den Continental Drifters. Auch mal die dB's für den weltbesten Gitarrenpop gehalten? Deren Peter Holsapple ist nicht nur Dauertourbegleiter von R.E.M. sondern auch ein Continental Drifter. Mark Walton vom Dream Syndicate spielt bei den Drifters nun den Bass. Und auch Vicky Peterson von den Bangles ist dabei. Bei den Continental Drifters passiert ähnliches wie bei anderen Bands mit massenhaft ambitionierten Songschreibern. So wie bei The Band, mit denen sie gerne verglichen werden, sorgt schon allein der Wechsel der Leadstimmen für das Gefühl, man habe es hier mit einem Versuch zu tun, das Erbe weißer, amerikanischer Musiken zu verwalten. Die Basis ist ein relaxed dahingespielter Folkrock, aber man hört noch deutlich die verschiedenen persönichen Erbteile. Da findet sich der süßliche Bangles-Flirr, das stolze wie desperate Ansichzweifeln des Dream Syndicate, und über allem schwebt die Handschrift von Holsapple. Die Tradition kommt durch die Hintertür, auch wenn sie sich dann nicht versteckt. Die Continental Drifters sind definitiv unmodisch, aber in diesem Freiraum können sie eine kraftvolle Souveränität entwickeln, die sich nicht – wie bei Giant Sand oder anderen Überlebenden dieser Generation – in spinnerten Experimenten oder gemeingefährlicher Mainstreamisierung verliert. Im Vorprogramm singt Kate Jacobs ihren recht süßlichen, aber fast nie kitschigen Folk und wird dabei von weiterer Prominenz unterstützt. Die Gitarre bedient Dave Schramm, mit seinen Schramms selbst Teil des im Sande verlaufenen Folk-Revivals von vor drei Jahren.
Sonntag, 21.1., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108–114, Neukölln
Melancholie konnte man beim besten Willen nicht nennen, was Slowdive einem servierten, das war eine viel zu harmlose Bezeichnung. Eher schon Musik wie Wasser in den Ohren. Hektik war ein Zustand aus einer anderen Dimension, und vor allem so wunderwunderschön getragen, daß sich selbst atonal kreischende Gitarren wie von Frau Holle geklopfte Samtkissen anhörten. Slowdive gibt es nicht mehr, aber der Nukleus macht als Mojave 3 weiter und hat die akustische Instrumentierung entdeckt und außerdem noch ein paar Töne mehr weggelassen. Und Menschen, die auf spartanische Einrichtungen stehen und ihren allerletzten Selbstmordversuch planen, die haben hier einen Soundtrack gefunden.
Dienstag, 23.1., 21 Uhr, Knaack
Abt. Gnadenbrot: Seitdem der Boss lieber solo spielt, müssen sich seine E-Street-Bandgenossen nach anderweitigen Erwerbsmöglichkeiten umsehen. Nils Lofgren ist dabei schon auf Kleinclubniveau abgesunken. Ein Teufelskreis: Wie will er auf den kleinen Bühnen bloß sein Trampolin unterbringen? Fragen über Fragen. Lofgren hat die Antwort vor Jahren selbst gegeben: „No Mercy“.
Donnerstag, 25.1., 21 Uhr, Huxley's Junior Thomas Winkler
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