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Durchs DröhnlandSturzmelancholische Geschichten von seelenlosem Sex

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Nach einer langen Trennungsphase seit nun mehr als einem Jahr wieder glücklich vereint, zelebrieren Nikki Sudden und Dave Kusworth weiter ihre Männerfreundschaft, waren zuletzt mal wieder sehr down, und Nikki fragte sich, „What Am I Living For?“. Nicht anzunehmen, daß Sudden heute abend ohne Kusworth und nur mit sogenannten Gästen wesentlich fröhlicher wird. Aber wenn die Dosierung der einschlägigen Substanzen stimmt und bei Künstler und Publikum passend aufeinander abgestimmt sind, erwartet einen ein melancholischer Abend voller wissendem Weltschmerz, eine positive Läuterung voll lieblicher Klänge. Wenn nicht, bleibt einem nur der Suff.

Heute, 21.30 Uhr, Schoko-Laden, Ackerstraße 169/170, Mitte

Wer schon immer fand, daß ZZ Top zwar irgendwie knorke sind, aber besser nicht in Fußballstadien auftreten sollten, oder schon immer nach Texas wollte, um in speckigen Bikerkneipen Pool zu spielen, sollte sich auf keinen Fall Sunset Heights entgehen lassen, deren Live-Platte programmatisch „Born in Houston“ heißt. Zeitloser Hardcore-Schweineboogie ohne Bart.

Heute, 23 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Mehr als ein Jahr war Lars Rudolph untergetaucht im „Bauch des Theaterriesen Volxbühne“ und bei Hal-Hartley. Stan Red Fox und auch Kixx gab es nicht mehr. Nicht daß man ihn schmerzlich vermißt hätte, aber irgendwas fehlte doch ohne die Durchgeknalltheit von Rudolph, die einem allzuoft die Skalierung verschob und klar machte, was so möglich ist. Nun hat er sich einen Cellisten und einen Schlagzeuger von Blei war sein Lohn geholt und macht mit denen Ich schwitze nie. Sein Beitrag ist als „Tralala“ vermerkt, das heißt, er bläst und er singt. Nur mit den Jazzerweiterungen früherer Tage hat das nicht mehr viel zu tun. Den frühen, den legendären deutschen Schlager hat er sich diesmal gegriffen, säuselt süßlich daher in einer imitierten Frauenstimme, parodiert das Timbre von Hans Albers oder läßt sein Blechspielzeug romantische Hafenatmosphäre beschwören, nur um sie dann umkippen zu lassen. Die auch vorhandenen, recht anstrengenden Geräuschexperimente hätten sie sich allerdings sparen können.

Heute, 23 Uhr, Roter Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte

Eine glockenklare Frauenstimme, freundlich dahinpluckernde Elektronik, dicke Melodien, kein Fältchen in der Sounddecke, kurz: Mit Dubstar aus Gateshead kommt wieder mal die große Popoffensive aus dem Königreich über uns hernieder.

Einzig die Texte sorgen für Irritation, übt sich doch auch Sarah Blackwood in einer gemäßigten Variante des Girlie-Selbstbewußtseins. Von frustrierter Liebe und Beziehungsfrust erzählt sie, singt traurige Geschichten von seelenlosem Sex und Schreckliches von sexueller Gewalt. Und das alles vor einem unaufdringlichen Hintergrund, dessen komisch-plüschige Sterilität aus einer lange untergegangenen Welt zu kommen scheint, einer Welt, in der Bettlaken noch sauber blieben.

So., 21.4., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Henry Rollins hat über ihn gesagt: „People don't play guitars like this anymore, he's trying to wreck the place.“ Wayne Kramer, ehemaliger Gitarrist der Detroiter Legende MC5, die zusammen mit den Stooges den Punkrock zehn Jahre zu früh erfanden, hat nach langer Zeit voller Drogenprobleme, Abstürze und Gelegenheitsjobs zurückgefunden, und der Ami-Gitarrenuntergrund hat ihn wieder in die Arme geschlossen. An der ersten Platte beteiligten sich Mitglieder der Melvins, Bad Religion, Rancid oder Suicidal Tendencies. Auf der neuen singt gar Terence Trent Darby über „Dangerous Madness“, während der „mad axeman“ ganz altmodisch die sechs Saiten von den Seelenzuständen erzählen läßt. Abgehangener als auf der ersten Platte hat sich Kramer nun zumindest zum Teil vom straighten Hardrock verabschiedet und erinnert in seinen Klagen um das verlorene Amerika seiner Kindheit manchmal sogar an den mittleren Bruce Springsteen.

Mo., 22.4., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Ihre Schwermut sagt seit 1980 vor allem den Bewohnern des sogenannten Lands der Dichter und Denker zu. And Also The Trees sind eines der wenigen Überbleibsel aus der großen Zeit des englischen Dark Wave, einer Zeit, als der Tanzboden noch nicht das Maß aller Dinge war. And Also The Trees spielten sich nie in die allererste Reihe wie ihre Kumpels aus frühen Tagen, The Cure, aber konsequent und stur erreichten sie eine eingeschworene und stur melancholische Fangemeinde. Doch schon früher konnte man hin und wieder ein Augenzwinkern hören, wenn das Quintett sich an der ausufernden Dramatik eines Ennio Morricone versuchte. Zuletzt haben sie sich entschieden, es mal mit Rhythmus zu probieren. Manche Stücke auf der neuen CD „Angelfish“ grooven sogar. Die Platte ist so etwas wie ein Konzeptalbum, auf dem unsere britischen Freunde der Atmosphäre eines amerikanischen Jazz-Clubs der 50er Jahre ein Denkmal setzen wollen. Allerdings mit ihren Mitteln, und die sind nun mal sehr beschaulich.

Di., 23.4., 21 Uhr, Pfefferberg

Irgendwie ist die Schublade Ethno in all ihrer Undifferenziertheit inzwischen ziemlich passend geworden, denn wohl nirgendwo sonst fallen die Stile so hurtig übereinander her und vermählen sich ohne großes Nachdenken. Alles scheint möglich und führt recht oft zu einer austauschbaren Soße. Ähnliches gilt für die aus Benin stammende und inzwischen in Frankreich lebende Angelique Kidjo. Ihr Gesangsstil wechselt beständig zwischen Folklore und Rockröhre, während ihre Band eine Melange aus Mainstream-Funk, -Soul, -Rock und -Reggae mit wenigen afrikanischen Elementen glatt rührt.

Mi., 24.4., 20 Uhr, Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg

Seit fast zehn Jahren versuchen Groovy Aardvark auf einen grünen Zweig zu kommen, aber bisher haben sie es kaum über lokale Berühmtheit in ihrer Heimat Quebec hinaus geschafft. Immerhin haben sie jetzt eine erste Platte gemacht, auf der ihr breakfreudiger Hardrock einen recht knusprigen Eindruck macht.

Do., 25.4., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!

Ach ja, übrigens: Extrabreit gibt es noch. Ob das jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, sollte jeder für sich entscheiden.

Do., 25.4., 20.30 Uhr, Loft

Wer einfach nur ein gutes Rockkonzert sehen will, das beste dieser Woche vielleicht, wird nichts Besseres finden als Motorpsycho aus Norwegen: Kein Vertun, quadratisch, praktisch, gut.

Do., 25.4., 21 Uhr, Knaack Thomas Winkler

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