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Durchs DröhnlandFür Freunde des Unterbewerteten

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Laßt uns zum Einstieg fröhlich sein und Köpfe rollen. Es gab einmal eine Hardcore-Combo namens Urge, die sich nicht nur mit dem covern einzelner Songs aufhalten wollte: Weil sie Blast so doll wichtig fand, nahm sie gleich deren komplettes Album „Power of Expression“ neu auf. Aus dieser kruden Idee entstand dann auch noch die Band Power of Expression, die sich als solche eher um die fiesen Metalaspekte kümmert. Das schleift und grummelt wie aus einem Guß, und der von Morgoth kommende Sänger Marc Grewe läßt den Herrgott einen bösen Mann sein. Merauder kommen aus New York und sind fast noch gemeiner, weil schmuckloser. Ihre Gitarren tun nur das Allernötigste, aber das sehr laut. Singen mag man nicht so sehr und erzählt statt dessen sehr eindringlich: „Life is Pain“, „Time Ends“ und andere erfreuliche Dinge.

Im Gegensatz dazu geben sich Stuck Mojo aus Atlanta fast fröhlich – schon allein, weil sie ein bißchen Funk betreiben und ihren Shouter ein wenig rappen lassen. Das Ganze entwickelt einen hölzernen Charme, ist aber halt auch noch für Menschen mit Schuhgröße 46 tanzbar. Noch dabei beim „Crossover 2000“ sind Slapshot, Turmoil und My Own Victim, die wie alle anderen auch zugunsten der Aids-Hilfe Dortmund auf ihre Gage verzichten.

Heute, 21 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Wo wir gerade den aktuellen Stand des Metallgewerbes besichtigt haben, lohnt es sich vielleicht, noch einen Blick auf die Vergangenheit zu werfen. Bruce Dickinson war bekanntermaßen mehr als ein Jahrzehnt Sänger von Iron Maiden, die aufgrund ihrer Anfangstage auch in Punkkreisen eine gewisse Reputation genossen, obwohl sie sich später musikalisch kaum vom typischen Eunuchenmetal der achtziger Jahre unterschieden.

Immerhin gehörten sie zu denen, die schon lange vor Glenn Danzig den Satanismus hoffähig machten. Dickinson bemüht sich inzwischen um eine Abkehr vom Dampframmen-Metal und produziert doch nur Konsens-Gedröhn, das aufgrund veränderter Rahmenbedingungen (s.o.) belanglos dahinplätschert.

Mit Helloween, heute, 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108, Neukölln

Die Bandgeschichte von Fresh Fabrik begann vor drei Jahren ausgerechnet mit einer Coverversion der alten Hippie-Schnulze „San Francisco“, die allerdings kaum wiederzuerkennen war. Dieser Scherz blieb jedoch der einzige Berührungspunkt des Budapester Quintetts mit den Sechzigern, ansonsten hält man sich vorzugsweise an der bröckeligen Nahtstelle zwischen HipHop und Punkrock auf, wo gewisse unvermeidliche Verwirrungen sich dann oft plötzlich avantgardistisch anhören. Dasselbe Feld, das auch die Beastie Boys in letzter Zeit beackern und wo es noch rauszufinden gilt, ob sich nun eher die rhythmischen Finessen des HipHop oder das losgelöste Loskloppen des Punk durchsetzen wird.

Ähnlich wie die Beasties bevorzugen auch Fresh Fabrik eine spartanische Umsetzung, verzichten auf Samples und setzen statt dessen auf eine menschliche Rhythmussektion, sparsames Scratching und ein wohlüberlegtes Chaos.

Heute, Anorak, Dunckerstraße 14, Prenzlauer Berg, und am 4.5., 21.30 Uhr, Schoko-Laden, Ackerstraße 169/170, Mitte

An diesem Abend versammeln sich einige Berliner Bands, die nicht viel mehr verbindet, als daß sie aus Frauen bestehen oder zumindest welche dabeihaben – es gab schon sinnlosere Kombinationen von Bands. Headliner sind Madonna HipHop Massaker, in dieser Zeitung bereits ausführlich gewürdigte Konzeptpophoffnung.

Eher bodenständig wirken dagegen die altehrwürdigen Häwi Mädels. Oder auch Female Trouble, die als All-Frauen- Punkband begannen, aber inzwischen ein Männchen den Bass halten lassen. Überraschung ist nicht gerade eine große Stärke der vier, doch für einen netten Punkrockabend ohne Reue sind sie allemal gut.

Morgen, 20 Uhr, Arena, Eichenstraße 4, Treptow

Unsereiner träumt davon, mal nach San Francisco auszuwandern, Bands von dort ziehen tatsächlich nach Berlin. Heißt das jetzt, daß wir noch Metropole werden? Die Handfullaflowers hat es hierher verschlagen, weil sie ein kalifornisches Erdbeben leicht nervös gemacht hat. Mit den Sixties, wie der Name vermuten läßt, hat ihr Hardrock zwar nichts zu tun, lieblich ist es aber trotzdem, und die Melodien sind fast zu schön, die Gitarren fast zu gerade, und die Lärmanfälle wirken ziemlich pflichtbewußt.

Eine Band, die uns wahrscheinlich demnächst als die neuen Nirvana-Nachfolger verkauft werden – oder die Silverchair von diesem Wochenende. Um den Sprung zu schaffen, wären sie aber vielleicht doch besser zu Hause geblieben.

Morgen, 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte

Als das Videozeitalter endgültig angebrochen war, war Musik plötzlich nur mehr unwesentlich wichtiger als das Aussehen, und mit einem guten Clip war – zumindest in den frühen goldenen Zeiten – die Sache schon so gut wie geritzt. So konnte Guesch Patti ihren „Etienne“ besingen, gut aussehen und sich als ehemalige Tänzerin auch entsprechend bewegen. Aber weil sie von ihrem Tanzmäuschenimage nicht loskommt, wird wohl weitestgehend unbemerkt bleiben, daß „Blonde“ eine Platte ist, die auch Menschen gefallen könnte, die sich sonst was drauf einbilden, Lauri Anderson oder Suzanne Vega zu hören.

Hin und wieder hat sie sich zwar ein bißchen Hysterie von Les Rita Mitsouko geborgt, doch meistens sind ihre Songs ruhig und hübsch verziert mit kleinen Geräuschen und komischen rhythmischen Ideen. Für Freunde des Unterbewerteten.

So., 6.5., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Früher einmal hatten die Songs der Bones etwas von Kinderspielzeug: Wenn man drauftritt, quietscht es, die Halbwertszeit ist gleich null, die Dinger taugen nichts, aber sie machen einem in der richtigen Stimmung einen Heidenspaß. Konsum ohne Spätfolgen, so nahrhaft wie ein Kaugummi und genauso schmackhaft. Kurz gesagt: Sie waren ziemlich grandios. Aber wie das mit fortschreitendem Altern so ist: Der Tod rückt näher, es soll der Nachwelt was erhalten bleiben. So geriet die letzte Veröffentlichung langatmig, bedächtig und altklug.

Trotz einiger lebenssprühender Momente haben sich die Bones inzwischen widerstandslos in eine Reihe mit tausend anderen Bands eingeordnet, die alle auf der Suche nach dem wertvollen Song sind – als würde es beim Pop darum gehen.

Do., 9.5., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!

Daß ein Hype jede Menge Durchschnitt nach oben spült, ist nichts Neues, aber bei Britpop besonders offensichtlich. So schnell wie man auf der Insel zur „best unsigned band in Britain“ erklärt wird, hat man ja schon fast wieder ausgespielt. Meistens jedenfalls, und es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß es Shed Seven da besser ergehen sollte. Deren Powerpop ist zwar durchaus hübsch anzuhören, hat ein wenig Euphorie für trübe Regentage, aber das war's dann auch.

Do., 9.5., 20.30 Uhr, Loft Thomas Winkler

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