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Durchs DröhnlandMitgrölzeilen

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Als Singer/Songwriter hat Joe Henry den Vorteil, daß er noch nicht sehr alt ist. Auch wurde er auf seiner letzten Platte vom Helmet-Gitarristen Page Hamilton unterstützt. Nicht, daß „Trampoline“ dadurch zum Knarzmetal geworden wäre, aber ein wenig rockiger darf's schon sein. Die Songs hören sich ziemlich bedrückend an, aber bieten auch viel Platz für die lakonische Stimme von Henry, die mit einfachen Worten schlichte Geschichten erzählt: mal liest er Zeitschriften, mal läßt er Beine baumeln. Was bei weitem nicht so geheimnisvoll ist, wie es sich anhört.

Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224

Ein wenig erinnert die Stimme von Ines Martin an Patti Smith, und Rear Demist geben sich Mühe, einen verzögerten Avantrock zu spielen, der vor 20 Jahren mal durchaus modern gewesen wäre. Auch wenn das Quartett aus Halberstadt leicht hausbacken daherkommt, spielen sie immer schön um die Stimme herum, lassen kaum eine Möglichkeit zum Break aus und benutzen ein paar obskure rhythmische Spielereien.

Heute, 21.30 Uhr, Schokoladen Mitte, Ackerstraße 169/170

Der gute Musikgeschmack von Quentin Tarantino wird allerorten gelobt, dabei hat er auf dem Soundtrack für „Pulp Fiction“ eindeutig Man or Astro- Man? vergessen, die momentan immerhin die beste Surfband auf diesem Planeten sind. Und wenn es nach ihnen geht, auch noch auf anderen Himmelskörpern, denn das Quartett aus Auburn, Alabama, behauptet, man sei nur aus Versehen auf der Erde gestrandet. Tatsächlich hätte man bereits im 21. Jahrhundert Millionen von Platten verkauft und sei in der Zeit zurückgereist, um überhaupt den Boden zu bereiten, auf dem die zukünftigen Erfolge erst möglich werden. Ihre Songs heißen „Cyborg Control“, „Maximum Radiation Level“ oder „Planet Collision“ und hören sich an, als sei die Apollo 13 aus Surfbrettern recycelt worden.

Am 2. 6., 21 Uhr, Huxley's Junior, Hasenheide 108–114

Mit ihren phantasievollen Loops, die manchmal wie von Kinderplatten gesampelt wirken, haben die Fugees Kritiker und Tänzer auf ihre Seite gebracht. Das Trio aus New Jersey ist nicht fett, sondern eher spartanisch, hat sich die letzten Jahre erfolgreich gegen inhaltliche und musikalische Rap-Klischees verwahrt und trotzdem ein ausgeprägtes Gespür für Songs, die zum Hit taugen. So wurde „The Score“ in den USA zur erfolgreichsten HipHop- Platte der letzten Wochen, was nicht zuletzt ihrer Version des alten Roberta-Flack-Gassenhauers „Killing Me Softly With His Song“ zu verdanken war.

Am 2. 6., 20 Uhr, Metropol, Nollendorfplatz

Gilles Peterson soll angeblich den Begriff Acid Jazz erfunden haben. In jedem Fall ist er Gründer und Betreiber von „TalkinLoud“, einer Plattenfirma und Institution, die in den letzten sieben Jahren immer wieder neue Impulse für den Tanzboden bereithielt. An diesem Abend wird nun die Brücke geschlagen von den Anfängen, hier repräsentiert durch Galliano, und dem Neuanfang mit Shawn Lee und Karime Kendra, die dem Soul eine neue Chance in den 90ern geben. Als DJs sind Roni Size, U.F.O. und Peterson selbst dabei.

Am 2. 6., 21 Uhr, Universal Hall, Gotzkowskystraße 24

Es mag ja toll sein, daß diese Band mal Gott und die Welt beeinflußt hat, daß jeder Student sie ganz vorne im Plattenschrank stehen hatte noch vor den Yes- und Pink-Floyd-Scheiben. Aber muß es nach mehr als einem Vierteljahrhundert King Crimson wirklich noch geben? Die Antwort ist ein klares Nein!

Am 5. 6., 20 Uhr, Tempodrom, In den Zelten

So schnell kann es gehen: Vorgestern war man noch die Speerspitze des Rock-Undergrounds, gestern die dicke weiße Hoffnung des Mainstream-Rock, und heute kauft man deine neue Platte nicht, weil sie gut oder schlecht ist, sondern halt weil Frank Black draufsteht. In manchen Kreisen hat der ehemalige Chef der Pixies inzwischen ein Standing wie in anderen die Rolling Stones. Und auch in der letzten „The Cult of Ray“ ist natürlich viel Frank Black drin, „mehr als jemals zuvor“, wie der Chef selbst verlauten läßt. Das Splittern und Splattern der Pixies sucht man nahezu vergeblich, statt dessen ist das eine gut abgehangene Rock-, meinetwegen auch Punkrockplatte geworden. Den Hauptverdienst dafür tragen wohl The Who, denn deren legendäre „Live At Leeds“ mußte Black während der Aufnahmen die ganze Zeit hören.

Mit Samba (auf keinen Fall verpassen!), am 6. 6., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz

Wenn sich polnische Musiker nach Berlin verirrten, fand man sie nahezu ausschließlich in U-Bahnen oder Jazz-Clubs. Das Polnische Independent Festival im Duncker will nahebringen, daß es gar nicht weit entfernt im Osten ein größeres Spektrum gibt. Eröffnet werden die vier Tage von Koloboranci, deren sperriger Wave-Rock manchmal etwas zu kopflastig wirkt, aber ein paar fiese Punkriffs und unfröhliche Mitgrölzeilen im Programm hat. Am besten sind sie, wenn sie mal richtig entspannt losrollen. Farben Lehre sind etwas reduzierter und swingen auch mal, wenn die Gitarre stillhält. Jesus Chrysler Suicide haben an Gehoppel, Rumgekotze und Bösewicht-Metal ihre kindliche Freude. Und Pudelsi haben ein Saxophon in ihrem flotten Pop. Was alles wiederum nur beweist, daß man da drüben auch noch nicht den Stein der Weisen gefunden und mit ähnlichen Problemen wie hierzulande zu kämpfen hat.

Am 6.6. Koloboranci, Ludnosc Chile (Eintritt frei!), am 7. 6. Farben Lehre, am 8. 6. Jesus Chrysler Suicide, 9. 6. Homo Twist, Pudelsi. Jeweils 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64 Thomas Winkler

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