Durchs Dröhnland: Die Babys mit dem Feuer in den Augen
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Vielleicht hat die Lausitz ja eine gewisse Ähnlichkeit mit dem amerikanischen Mittelwesten, aber es hat jedenfalls ein Bruce- Springsteen-Surrogat in der Gegend. Oder auch einen „Dylan des Tagebaus“. Diese Labels füllt Gerhard Gundermann möglicherweise nicht freiwillig, aber doch schon seit einiger Zeit so überzeugend aus, daß er im Vorprogramm von Bob Dylan spielen durfte. Den Bagger hat er zwar inzwischen endgültig geparkt, aber seitdem er zugegeben hat, als Stasi-Mitarbeiter mit dem hübschen Decknamen „Grigori“ tätig gewesen zu sein, genießt er dafür eine ganz neue Reputation.
Schließlich hat er bereut, sich durch Verweigerung schon vor langer Zeit selbst aus dem MfS befördert und ist dann später selbst Beobachtungsobjekt geworden. Den Freunden hatte er schon lange zuvor erzählt, was los war, und die haben verstanden, so wie auch die Fans verstanden haben. Gundermann darf nun vertretend für andere die Büßerrolle spielen, und das tut er auch. „Leute wie ich haben die DDR kaputtgemacht“, sagt er. So wird man ihn wohl auch wieder erleben dürfen, wenn das nächste Benefiz für Bitterfeld nötig wird.
2. 8., 21 Uhr, Tränenpalast, Reichstagsufer 17
Bei den Puhdys ist das nicht anders und dann doch wieder völlig verschieden. Denn den inzwischen extrem angegrauten Herren konnte man kaum vorwerfen, jemals und schon erst recht nicht zu DDR-Zeiten durch besondere Aufmüpfigkeit aufgefallen zu sein. Daß Keyboarder Peter Meyer ebenfalls als Stasi-Spitzel enttarnt wurde, ist zwar eine Parallele, war aber im Gegensatz zu Gundermann eigentlich für niemanden eine Überraschung.
Ins Bild paßte da dann auch, daß die Osthelden ihre Hits aus „Paul und Paula“ heutzutage eben nicht für die PDS, sondern bei Wahlkampfveranstaltungen der SPD zum besten geben oder gleich in Schwerin zusammen mit Helmut Kohl den zweiten Jahrestag der Wiedervereinigung feiern. Anpassung war in 27 Jahren Bandgeschichte schon immer ihr oberstes Prinzip neben dem Geldverdienen, und die Sozis waren noch nie für sonderlichen Musikgeschmack berühmt.
So dichtete Dieter Birr auf der Comeback-Platte von 1992 fast entschuldigend „Mein Leben ist wie ein Spiel / Mein Leben ist mal so oder so“. Ihr Auskommen haben sie immer noch, bei den notorischen Ostrock-Festivals werden sie zusammen mit den Kollegen von früher frenetisch gefeiert. Eigentlich hat sich nicht viel geändert. Und wenn, dann eher zum Besseren für die Puhdys.
2. 8., 19.30 Uhr, Freilichtbühne Weißensee, Große Seestr. 9–10
Wenn eine Platte „Blue Moon Risin“ heißt, um was für Musik geht es da wohl? Walter Wolfman Washington spielt zwar eine gemütlich perlende Gitarre, die mehr vom Funk hat, als vielen lieb sein wird, aber natürlich vor allem Blues sein mag und will und muß. Für seine letzte Platte hat er mit Maceo Parker, Fred Wesley und Pee Wee Ellis ein überaus illustres Bläser-Trio engagiert, das seine zwar zerrende, aber für den Blues überraschend lakonische Stimme mit zackigen Kinkerlitzchen umrahmt. Zwischen diesen Verzierungen erzählt Washington in seinen Texten die üblichen Geschichten von den Babys, die ihn verlassen haben, von den Babys, die die seinen sind, von den Babys mit dem Feuer in den Augen und von all den anderen Babys auch. Und dann geht natürlich auch mal der Mond auf, aber das hatten wir ja bereits.
Nun ist allerdings der Blues eine Musik, von der man zuallerletzt irgendwelche Innovationen erwartet, und wenn, dann ganz bestimmt nicht von einem, der sein Handwerk in den einschlägigen Clubs von New Orleans auch schon mal vor Touristen erlernt hat, im Vorprogramm von John Lee Hooker tourte und von B.B. King eine lobende Erwähnung einfahren konnte. Aber, das muß man zugeben, ein Abend auf der Bourbon Street ist das allerschlechteste nicht.
3. 8., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39
Am 11. Mai jährt sich zum 15. Mal der Todestag von Bob Marley. Das und der Jahrestag der Unabhängigkeit Jamaikas wird gefeiert mit Limbo-Dancers, Feuerschluckern, karibischem Essen und vielem mehr. Ach ja, Musik gibt es auch noch. Die DJs vom Concrete Jungle System und vom Pow Wow Movement legen auf, live spielen der in Berlin lebende Dominikaner Ras Donovan, Kevin Eastwood aus Birmingham und der in Surinam geborene und jetzt ebenfalls in Berlin lebende Ken Dread.
3. 8., ab 17 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176
Irgendwo im Schwäbischen liegt Balingen, und dort haben vier Jungs eine Kunstfigur namens Wendy Bones erfunden, um sie fortan durch die Texte ihrer Songs geistern zu lassen. Praktischerweise haben sie sich auch noch nach ihr benannt, aber da hörte es dann mit der konsequenten Planung auf. Schon bei der Musik konnten sie sich nicht recht entschließen, also schrammeln sie mal gemütlich englisch daher, und schon beim nächsten Song artet es dann aus und wird zu herrlich primitivem Punkrock aus einer Frühzeit der Chose, als noch jeder Versuch, mal was Nettes zu machen, von den Bandkollegen mit Bierentzug nicht unter zwei Wochen bestraft wurde.
Wendy Bones sind im großen und ganzen eine sehr spaßige Sache, jetzt muß der Sänger nur noch vernünftig Englisch lernen.
3. 8., 21.30 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170
Sie kaufen bei „Spar“ auf der Reeperbahn ein, und dort wurde auch ihr Name geboren. Pornomat sind in ihren besten Momenten – und das soll ausnahmsweise wirklich mal ein Lob sein – ein gar nicht mal so müder Abklatsch von Nirvana. Sänger Siebeth hat zwar das Deutsche als Singsprache erwählt, aber zerrt die Silben gerade so, daß selbst er ein wenig an Kurt Cobain erinnert. Dahinter gleiten die Gitarren, basteln ein paar schöne Wände, an die man sich anlehnen kann, aber das überaus kuschelig. Nur haben wir ein paar Jahre später, und Pornomat sind möglicherweise zu eingängig, zu melodiös, zu nett, um noch irgendwie aufzufallen. Mit so was vollgedröhnt wird man inzwischen aus allen Ecken, aber das ändert nichts daran, daß die vier Hamburger das gut können, was sie können. Und das ist, wenn sie das Schlagerhafte nicht zu sehr streifen, wirklich wunderschön.
8. 8., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei Thomas Winkler
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