Durchs Dröhnland: Oberbollock ohne Konto
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Der G-Funk ist offensichtlich auch in Köln angekommen. Die coolen Säue heißen nicht nur so, sie kommen auch ultrasmooth dahergefedert, daß einem schon im Sitzen die Arschbacken in Wallung geraten. Über ihren wirklich extrem sommerlichen Beats glöckeln und zischeln recht phantasievolle Samples, die zwar manchmal bekannt klingen, aber bei wem ist das heute denn nicht so? Selbst die Raps fallen nicht im mindestens ab, sondern sind so elegant, daß man gerne über den einen oder anderen Reimzwang hinwegsieht. Wenn sie eine extrasoulige Frauenstimme einen wunderkitschigen Refrain flöten lassen, ist die Laube perfekt.
Und da am Rhein die Ghettos eher dünn gesät sind, beschränken sie sich in ihren Texten schlauerweise auf das eigene Erleben. Also geht's um die Heimatstadt und um Regen, ums Saufen und um Morphium, um Aids und natürlich die Liebe. Sens Unik sind zu dritt, kommen aus Lausanne und sind mithin die einzigen Schweizer HipHopper, die es bisher relevant über die Grenze geschafft haben. Im Vergleich zu den saumäßig Coolen klingen sie schon fast ungelenkig, weil ihre Beats etwas herber aufschlagen. Dafür klingt Französisch nun mal einfach schicker.
13. 9., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41, Kreuzberg
Auch Uncle Ho machen, was zumindest noch im letzten Jahr Erfolg versprach: Den krachenden Crossover zwischen Hardcore und HipHop. Ungeschlachte Raps werden über grobe Gitarren gehetzt, bis die Schwarte kracht. Das ist immer noch klasse Partymusik, und mehr sollte man manchmal nicht verlangen.
13. 9., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg
Vor fünf Jahren haben sie sogar mal eine Platte über die Bibel gemacht. Vielleicht hat man sie deswegen in Hamburg einst von der Bühne getrieben und dann ihr Equipment angezündet. Von solchen Verwirrungen sind die Bollock Brothers inzwischen geheilt, das liest man schon im aktuellen CD-Titel: „Blood, Sweat & Beers“. Und auf dem Cover ist doch tatsächlich die Queen. Trotzdem könnte man auch hier manchmal meinen, der Größenwahn habe sie gepackt: Da tauchen Geigen auf, echt wahr. Schwamm drüber, denn ansonsten sind sie wie früher vor allem fröhlich am Covern.
Diesmal müssen gleich zwei Beatles dran glauben (einmal Lennon, einmal Harrison). Verkniffen haben sie sich aber auch nicht den Punkrock-Klassiker „Chinese Rocks“ und selbst „My Way“ nicht. Na, was soll's, schließlich haben sie sich nach den Sex Pistols benannt, und Sid Vicious hat das Ding ja quasi zum Punk-Klassiker gemacht. Angeblich soll Oberbollock, Sänger und Kopf (braucht man den für so was?) Jock McDonald noch immer kein Bankkonto besitzen. Der Rest ist Pubrock, sehr gemütlich und bierselig.
14. 9., 21 Uhr, Trash
Vor schon ganz schön langer Zeit schrieb Elliott Murphy die Liner Notes zur Velvet-Underground-Live-Platte „1969“. Der Mann hat nicht nur das überlebt, sondern mehr als ein Vierteljahrhundert Musikerdasein. Den Alkoholismus hat er durch das Schreiben von Kurzgeschichten überwunden, er war Straßenmusikant in Europa, Musikjournalist für den Rolling Stone und hat all die Jahre immer wundervolle Songs geschrieben.
So jemandem kann man es dann sicher auch verzeihen, wenn er auf seiner neuen Platte „Selling the Gold“ hin und wieder arg geschmäcklerisch wird. Vielleicht weil Springsteen mitgespielt hat, wer weiß. Abgesehen davon: Die Violent Femmes waren auch dabei. Da läßt er dann einen Frauenchor schmachten oder wird unangemessen fröhlich, auch wenn das alles möglicherweise zynisch gemeint ist. Immerhin haben wir hier jemanden, der schon lange vor der aktuellen Singer/Songwriter-Hausee da war. Und der auch noch da sein wird, wenn die längst wieder abgeflaut ist.
15. 9., 21 Uhr, Huxleys Junior Cantina, Hasenheide 108–114, Neukölln
Fast schon rührend dieser Versuch, die Geschichte oder aktuelle Entwicklungen der Popmusik einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen: Die Elektros hatten ihre ersten Auftritte bei Universitätspartys und der erste Song ihres Demos heißt programmatisch „Hier kommt Mr. Pop“. Die Gitarre jängelt, als hätten die 60er grade erst angefangen, der Baß daddelt frohgemut, und überall ist Melodie, man glaubt es kaum. Die vergangene Liebe zu „Cornelia“ wird so keusch besungen, als hätte man im Sandkasten Milka-Herzen ausgetauscht. Das ist zwar nicht gerade zeitgemäß, aber hat einen frechen Charme, der einen noch an das Gute in der Jugend glauben läßt. Liebliche Songs für liebe Menschen.
19. 9., 22 Uhr, Duncker. Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei!
Als Robert Forster seine erste Solo-Platte machte, gab er ihr den Titel „Danger in the Past“. Das war schön zum Interpretieren, denn mit seiner Band Go- Betweens wurde der Mann zwar all die Jahre von den Kritikern lobend überhäuft, aber in ihrer Heimat Australien kannte sie eh keiner, und auch in Europa und den USA kamen sie nie so recht über den Kultstatus hinaus. Nun hätte man erwarten dürfen, daß sich der schlaksige Forster von den zwar poppigen, aber todtraurigen Songs abwenden würde, aber genau das hat er nicht getan.
Es scheint eher so, auch auf der neuen Platte „Warm Nights“, als würde er sich endgültig der ewigen Verkanntheit hingeben. Wieder schlürfen Stimme und Gitarre im Gleichklang, während eine Orgel im Hintergrund einlullt.
Das ist immer noch wundervoll und wieder beweist Forster, daß er einer der besten Singer/ Songwriter dieser Zeit ist, und daß er hübsche Zeilen wie „She reminds me of Africa though I've never been there“ schreibt. Man hört es gerne, aber man muß nicht.
19. 9., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg Thomas Winkler
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